Soul Power

Kontra kulturelle Klüfte

Eine Filmkritik von Marie Anderson

"I need to get up and do my thing!" Noch bevor er zu sehen ist, ist er bereits vehement zu hören, in energischer Wiederholung, unverwechselbar wild und von einem zustimmend murmelndem Chorus begleitet; dann erscheint er im Bild: James Brown in einem unsäglichen, eng anliegenden Kostüm mit gewagtem Ausschnitt, ungeheurem Beinschlag und neckischen Puffärmeln. Damit eröffnet die Dokumentation eines kuriosen Musikfestivals aus dem Jahre 1974 in Kinshasa im damaligen Zaïre, von der Mission getragen, so genannte afroamerikanische Musiker mit ihren afrikanischen Kollegen gemeinsam auf die Bühne zu bringen.
Dem Ruf ins nie gesehene "Motherland" folgten Klanggrößen wie James Brown, B. B. King, Miriam Makeba, The Spinners, Sister Sledge, Bill Withers und The Crusaders. Doch damit nicht genug: Der US-amerikanische Box-Promoter Don King veranstaltete in diesem Rahmen auch einen als "Rumble in the Jungle" bezeichneten Kampf um den Weltmeistertitel im Schwergewicht, den damals George Foreman innehatte, und sein Gegner war kein Geringerer als der legendäre Muhammad Ali. Musste dieses von psychologischen wie soziokulturellen Symbolismen umgebene Kräftemessen auch auf Grund einer Trainingsverletzung George Foremans um einen guten Monat verschoben werden, den die Protagonisten dieses spannenden Ereignisses in Kinshasa verbrachten, fand bereits das dreitägige Konzert statt. Aus dem ausführlichen Filmmaterial von damals bastelte Jeffrey Levy-Hinte die Dokumentation Soul Power zusammen, die nach ihrer Premiere in Toronto weltweit auf verschiedenen Filmfestivals zu sehen war und nun bei Arthaus erstmals auf DVD erscheint.

Wirkt die Organisation dieses außergewöhnlichen, kulturhistorischen Events auch bei Zeiten ein wenig holprig, so ist es gerade die Improvisation und die spontane Kooperation der beteiligten Personen, die die einzigartige Stimmung prägen, die hier transportiert wird und Soul Power zu einem spannenden, bewegenden Dokument einer cross-kulturellen Haltung machen, die für die damalige Zeit enorm innovativ anmutet. Hier herrscht keine gefällige Harmonie angesichts der hehren Mission einer durch (post)kolonialistische Konstellationen erschwerte Zusammenkunft, sondern ein offener, ambivalenter Umgang der Menschen miteinander, charakterisiert durch wohlwollende Neugier sowie die Bereitschaft, das Andere anders sein zu lassen und sich dennoch mit Respekt und gewaltigem Vergnügen auf dem grenzüberschreitenden Territorium der Musik zu begegnen und sich berühren zu lassen.

Soul Power lebt von der Präsenz und Performanz der Protagonisten, die in einem großzügigen Zeitrahmen zusammentreffen und sich den vielschichtigen Impressionen mit ihren individuellen Ausprägungen, Gedanken und vor allem Emotionen stellen. Wenn Muhammad Ali auf seine provokante, ureigenste Art mit den Musikern die Bedeutung dieser Begegnungen diskutiert, wird die Komplexität und Kompliziertheit der sozialpolitischen Klüfte deutlich, die sich jenseits der persönlichen Ausgestaltung der unterschiedlichen Persönlichkeiten auf Grund von historischen Entwicklungen ergeben haben.

In knapp anderthalb Stunden gelingt es dieser wunderbaren Dokumentation, einen so erfreulichen wie tief greifenden Einblick in die Ereignisse rund um den legendären Rumble in the Jungle zu präsentieren, dem es für eine einzigartige Weile gelingt, über den Abgrund politisch erzeugter Differenzen zu balancieren. Mit großem Bedauern trennt sich der Zuschauer am Ende des Films von den Stimmungen und Schwingungen der höchst unterschiedlichen Protagonisten und ihren musikalischen Darbietungen, deren Darstellung er allzu gern noch eine gute Weile gefolgt wäre.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/soul-power