Spur der Steine (1966)

Bau-Brigade Balla

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Neben der Beschränkung der künstlerischen Freiheit zeugte das Verbot eines Films in der ehemaligen DDR, das nur allzu häufig wegen so genannter antisozialistischer Tendenzen verhängt wurde, auch von der Macht kritischer kultureller Ausprägungen sowie der enormen Furcht davor. Spur der Steine des damaligen DEFA-Regisseurs Frank Beyer aus dem Jahre 1966 nach dem gleichnamigen Erfolgsroman von Erik Neutsch fiel der Zensur zum Opfer, nachdem er nur drei Tage lang in den Kinos gezeigt wurde. Erst 1989 wurde der Film wieder zur Aufführung freigegeben, der 1990 bei der Berlinale eine späte Würdigung erfuhr. Betrachtet man die Geschichte einer widerborstigen Brigade aus heutiger Sicht, ist die Brisanz des Stoffes für das einstige repressive System noch deutlich spürbar, doch Spur der Steine stellt auch unabhängig von seiner historisch-politisch bedeutsamen Dimension einen gelungenen Film dar, der das Schicksal einer moralisch attackierten jungen Frau zwischen zwei Männern auf sehr einfühlsame Weise erzählt.

Er ist rotzfrech und bis an die Schmerzgrenze respektlos, und doch genießt der Vorarbeiter Hannes Balla (Manfred Krug) mit seiner ihm treu ergebenen Brigade eine gewisse Narrenfreiheit innerhalb der sozialistischen Arbeitswelt der DDR. Denn Balla und seine Truppe leisten als Zimmerleute auf der Großbaustelle Schkona ganz hervorragende Arbeit, so dass ihm seine unkonventionelle Art und seine derben Späße nachgesehen werden. Mit dem engagierten Parteisekretär Werner Horrath (Eberhard Esche) erscheint ein Mann auf der Baustelle, der sich nach anfänglichem Autoritätsgerangel dazu entschließt, Balla lieber durch eine enge Kooperation und Wertschätzung ideologisch auf seine Seite zu ziehen, anstatt ihn zu bekämpfen, was sich allerdings nicht gerade einfach gestaltet. Die junge Ingenieurin Kati Klee (Krystyna Stypułkowska) trifft ebenfalls als neue Arbeitskraft auf Schkona ein und muss sich zunächst mit einiger Geduld und Courage Achtung bei Balla verschaffen, der bald beginnt, sich in die ebenso energische wie aparte Frau zu verlieben. Doch auch Horrath hat ein Auge auf Kati geworfen, die sich bald in eine heimliche Affäre mit dem besonnenen, gebildeten Mann stürzt, der allerdings verheiratet ist und in seiner Funktion als Parteisekretär kein unmoralische Verhalten riskieren will. Als Kati schließlich schwanger wird, sieht sie sich mit massivem Druck und Anfeindungen durch ihre Vorgesetzten konfrontiert, dennoch schweigt sie sich über den Vater ihres Kindes aus, der sie zunehmend zu meiden beginnt, während Balla sich bemüht, sie so gut wie möglich zu unterstützen ...

Spur der Steine zeichnet sich vor allem durch das lebendige, authentische Spiel seiner Darsteller aus – allen voran der damalige Endzwanziger Manfred Krug, der seine Rolle als derber, aufrichtiger Charakter absolut überzeugend verkörpert und zehn Jahre später Berufsverbot auf Grund seines Engagements für Wolf Biermann erhielt, bevor er 1977 die DDR verließ. Die soziopolitischen Diskurse des Films bestechen durch ihre differenzierte Komplexität, und es ist die vielschichtige Diskrepanz zwischen Ideologie und Menschlichkeit, die hier eindrucksvoll dargestellt wird und Spur der Steine zu einem essenziellen Werk über das Auseinanderklaffen von Anspruch und Umsetzung entsprechender Werte in einem sozialistischen Staat macht.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/spur-der-steine