Das Experiment

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ein Spielfilm von Oliver Hirschbiegel mit populären Darstellern wie Moritz Bleibtreu und Wotan Wilke Möhring über ein eskalierendes Experiment zur menschlichen Gewaltbereitschaft in extremen Machtkonstellationen: Das schreit geradezu von vornherein nach Auszeichnungen. Und in der Tat räumte Das Experiment international einige Nominierungen und Preise ab. Dennoch hagelt es von Seiten der Kritik auch kräftig Tadel, denn die hohe Erwartungshaltung, die die knappe Beschreibung erweckt, kann der Film mit seiner Vielzahl an bedeutsamen Protagonisten und dramaturgischen Wendungen sicherlich nicht immer erfüllen.
Die Versuchsanordnung, innerhalb welcher sich eine Gruppe von zwanzig Männern zwei Wochen lang bewegen soll, stellt sich auf das Wesentliche reduziert ganz schlicht dar: Eine Gefängnissituation mit jeweils zehn Strafvollzugsbeamten sowie zehn Häftlingen soll von der Außenwelt abgeschirmt mit knappen, wenigen Regeln ausgestattet gespielt werden. Während die Macht vollständig bei den ausgelosten Wärtern liegen soll, die mit Uniformen und Schlagstöcken ausgerüstet werden, wird von den Gefangenen, die sich auch untereinander nur mit ihren jeweiligen Nummern ansprechen sollen, absoluter Gehorsam erwartet.

Unter den Bewerbern für das Projekt, die vom Versuchsleiter Professor Thon (Edgar Selge) und seiner Assistentin Dr. Grimm (Andrea Sawatzki) vorab ausführlich getestet und schließlich ausgewählt werden, befindet sich auch der ehemalige Journalist Tarek Fahd (Moritz Bleibtreu), der sich gerade als Taxifahrer über Wasser hält. Einerseits ist es die ausgeschriebene Summe von 4.000 Mark, die Tarek reizt, andererseits wittert er hinter diesem Experiment eine ebenso heiße wie lukrative Story, so dass er sich insgeheim mit einer versteckten Kamera ausstattet, nachdem er bei seinem einstigen Redakteur ein stattliches Honorar ausgehandelt hat.

Während Tarek voller Gedanken an seine kürzliche intime Bekanntschaft Dora (Maren Eggert) als Häftling in den simulierten Knast einzieht, provoziert er durch gelegentliche Regelverstöße den Unmut der Wärter, was von seinen Mitgefangenen zunächst noch mit Heiterkeit quittiert wird. Doch bereits im Verlauf weniger Tage spitzt sich die anfänglich spielerische Situation dermaßen zu, dass in dem mit Kameras überwachten Gefängnis eine Atmosphäre der Repression und Angst herrscht. Und es ist der aufmüpfige Häftling Tarek mit der Nummer 77, der im Fokus der brutalen und entwürdigenden Strafaktionen der Wärter steht ...

Auch wenn es innerhalb der komplexen Handlung sowie der Zeichnung der zahlreichen vielschichtigen Charaktere mitunter Schwächen gibt und manch dramaturgische Wendung allzu stark konstruiert erscheint, stellt Das Experiment doch insgesamt einen sehr anregenden Film dar, der sich vor allem durch seine immer wieder neu auflodernde Spannung und Intensität auszeichnet. Und es ist durchaus ein Merkmal ihrer Qualität, dass diese packende Geschichte Kontroversen auf allen Ebenen aufwirft, was sowohl den Inhalt wie auch die Inszenierung betrifft – ein Film, der inspirierenden Unmut innerhalb ansprechender Unterhaltung produziert.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/das-experiment