8 Mile (2002)

Eminem rulez!

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Innerhalb der Subkultur des Rap stellt der Battle, der live ausgetragene Wettstreit lokaler oder internationaler Mundartisten, die Königsdisziplin dar. Hier wird mit Reimen anstatt mit Fäusten gekämpft, dient die spontane Wortgewandtheit als Waffe im Gefecht der verbalen Attacken, mit denen die gegnerischen Protagonisten schonungslos um die Gunst des engagierten Publikums ringen. Wer im Zweikampf sein Gegenüber trefflicher zu beleidigen und klangvoll scharfsinniger zu argumentieren vermag, wird durch die euphorischen Reaktionen der Zuhörer zum Sieger gekürt, während der Unterliegende mit stilisierter Verachtung gestraft wird. Einen Battle zu verlieren, sinniert der aus Detroit stammende und mittlerweile extrem erfolgreiche Produzent und Rapper Eminem im Interview unter den reichhaltigen Extras der DVD 8 Mile, bedeutet das Gefühl, dass das Leben vorüber sei. Und er muss es wissen, denn der Hauptdarsteller dieses Rap-Feuerwerks von Curtis Hanson hat selbst einmal ganz klein angefangen.

Rap – das ist Klopfen, Provokation, Attacke, schlicht Rhythmus und Poesie, und das ist genau das Lebensgefühl, das den jungen Jimmy "B-Rabbit" (Eminem) anzieht, der als Weißer eine Ausnahmeerscheinung innerhalb der Szene ist. Doch um Gehör für seine scharfsinnig-coolen Lyrics zu finden, muss er erst einmal vor dem überwiegend schwarzen Publikum der lokalen Battles von Detroit antreten, und genau da liegt Rabbits Problem: Sind schon die Vorbereitungen zu einem Auftritt von Übelkeit begleitet, versagt ihm auf der Bühne schlicht die Stimme, was ihn gehörigem Spott aussetzt. Doch sein Freund und Förderer Future (Mekhi Phifer), der die Battles moderiert und von Rabbits Talent überzeugt ist, ermutigt ihn stets aufs Neue, seine Scheu zu überwinden und es seinen Widersachern einmal richtig zu zeigen.

Mit der aparten Alexa (Brittany Murphy) tritt eine verführerische Frau in Rabbits Leben, die ihn motiviert, seine musikalischen Ziele zu verfolgen, doch die Beziehung bleibt im Grunde vage und distanziert. Dennoch und trotz seiner Schwierigkeiten mit seiner labilen Mutter Stephanie (Kim Basinger) und seiner Sorge um seine kleine Schwester Lily (Chloe Greenfield) will Rabbit nicht aufgeben, auch wenn sich die Stimmung unter verfeindeten Gangs gerade mehr als ungemütlich ausnimmt. Doch die vielfältigen, auf ihn niederprasselnden Enttäuschungen lähmen den scheuen Rapper, und ausgerechnet am Abend eines wichtigen Battles wird Rabbit zu einer Extraschicht in der Fabrik eingeteilt, wo er jobbt, und das Geld kann er gerade nur allzu gut für seine Familie gebrauchen, der die Obdachlosigkeit droht ...

Es ist das emotional kochende Umfeld der Battles, das diesem Film seine ganz besondere Atmosphäre hart am Puls einer Subkultur verleiht, innerhalb welcher sich die Stimmen der unterprivilegierten Ghetto-Gesellschaft auf provokante wie aggresssive Weise Gehör verschaffen. Hier werden nicht etwa der teilweise brutale, sexistische und diskriminierende Habitus, der sich in den Rap-Texten widerspiegelt, und seine Hintergründe in irgendeiner Form reflektiert. 8 Mile, der 2002 beim Toronto Film Festival Premiere feierte und seitdem einige Nominierungen und Preise gewann – darunter der Oscar für die Beste Musik –, konzentriert sich auf die unmittelbare Darstellung des Milieus, in dem ein Außenseiter um Anerkennung kämpft. Das ist die Geschichte, bei der es dahingestellt sei, in welchem Maße sie nun tatsächlich die Biographie Eminems repräsentiert, zu der sich einige Parallelen ziehen lassen.

Es gelingt dem Film dennoch auf beeindruckende Weise, die Faszination des derben Wortes als rhythmische Performance und Ausdruck eines verstörten wie verstörenden Aufschreis vom Rande der Gesellschaft zu transportieren. Regisseur Curtis Hanson (L.A. Confidential, In den Schuhen meiner Schwester / In Her Shoes, Glück im Spiel / Lucky You) hat eine ganz ausgezeichnete Crew von Laiendarstellern gefunden, die als Publikum bei den Battles, die ausführlich noch einmal in ihrer Inszenierung unter den Extras der DVD zu finden sind, in geradezu magischer Weise eine stilisierte Stimmung kreieren, die kaum ein Rapper-Herz unberührt lassen wird. Auch wenn die Geschichte des Jimmy Rabbit deutlich auf eine junge Zuschauerschaft zugeschnitten ist, stellt 8 Mile doch insgesamt einen bemerkenswert anregenden Film dar, der vor allem durch die Darstellung des Milieus mit seinen Härten und das sanfte, offene Ende diese Szene als kulturelle Ausprägung einer urbanen Trostlosigkeit sowie als explosives musikalisches Territorium feiert, ohne sie letztlich unangemessen zu glorifizieren.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/8-mile