El Frasco – Der Glasbehälter

Eine zarte Liebesgeschichte aus Argentinien

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Außer seinem Job, dem er mit routinierter Korrektheit nachgeht, scheint das Leben für den stillen, zurückgezogenen Busfahrer Perez (Darío Grandinetti) nicht viel herzugeben, der Tag für Tag seine Route durch das ländliche Argentinien abfährt. In den Dörfern und an den Raststätten ist Perez auf Grund seiner dezenten Art wohlgelitten, und der eine oder andere weibliche Fahrgast wirft auch schon mal ein Auge auf den adretten Mann in den mittleren Jahren, was diesen jedoch unberührt lässt. Perez selbst schwärmt offensichtlich insgeheim für die aparte Lehrerin Romina (Leticia Brédice), die in einer kleinen Schule an seiner Strecke unterrichtet, ein wenig außerhalb des Dorfes in einem Wohnwagen lebt und allein mit ihrem jüngeren Bruder Luis (Martín Piroynaski) näheren Umgang pflegt, der in einem kleinen Restaurant arbeitet.
Auf diese Weise führt die sanfte argentinische Komödie El Frasco – Der Glasbehälter von Alberto Lecchi mit langsamen, intensiven Bildern die schlichten Welten ihrer Protagonisten ein, die sich im Verlauf der Dramaturgie auf schicksalshafte Art miteinander verknüpfen werden. Flankiert von leiser Komik entfaltet sich hier die Liebesgeschichte zweier Kreaturen, die sich mit ihrer schwerlastigen Vergangenheit in eine ebenso schützende wie triste Einsamkeit begeben haben. Unerschütterlich bis zu dem Augenblick, in dem ein kleines Missgeschick mit bedeutsamen Folgen ihr genügsames Arrangement mit dem Dasein mit einem Male kräftig aus der Bahn schubst.

Eines Tages bittet Romina Perez um eine kleine Gefälligkeit: Für eine vom Schulamt angeordnete Untersuchung soll der Busfahrer ein kleines Päckchen der Lehrerin mit in die Stadt zum Labor nehmen. Ritterlich nimmt sich der Busfahrer dieser Aufgabe an, und er hütet die in einem Glasbehälter verschlossene Urinprobe der Lehrerin wie seinen Augapfel. Doch bei der Rast in einem Restaurant vergisst Perez das Päckchen dann unglücklicherweise auf dem Tisch, und als er umkehrt, ist das Lokal bereits geschlossen, und es sollen zwei Tage vergehen, bis es ihm gelingt, den ihm anvertrauten Glasbehälter zurückzuerhalten. Aufgeschreckt aus der versunkenen Betrachtung der farbigen Flüssigkeit ist es nun Perez selbst, der versehentlich das Glas zerbricht. Und weil er es nicht wagt, Romina dieses Missgeschick zu beichten, treibt er ein neues Behältnis auf und pinkelt kurzerhand selbst hinein, was bei der Analyse zu einem besorgniserregenden Ergebnis führt ...

El Frasco – Der Glasbehälter, der beim spanischen Filmfestival Semana Internacional de Cine de Valladolid mit dem Publikumspreis sowie der Silbernen Ähre für Regisseur Alberto Lecchi ausgezeichnet wurde, ist ein heiter-melancholischer Film der leisen Töne. Ohne Pathos und doch mit unprätentiöser Intensität agieren Leticia Brédice und Darío Grandinetti als Hauptfiguren bravourös in dieser kleinen Geschichte um große Emotionen und eine ernsthafte Krankheit, die dennoch positive Veränderungen in das zuvor erstarrte Leben der Protagonisten bringt. Wenn der anfangs gleichmütige Busfahrer schließlich seine Uniform abgibt und nun selbst als Passagier jenseits der gewohnten Route unterwegs ist, liegt in dieser Wendung etwas von einem existentiellen Aufbruch, der sinnbildlich für alle kleinen und größeren Revolutionen innerhalb eines eingefahrenen Daseins steht. Und die Darstellung der zarten Liebesgeschichte, die sich hier ereignet, besitzt die beachtliche Weisheit, sich nicht in eleganten Erklärungen, sondern in schlichten Zeichen und Berührungen zu entwickeln.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/el-frasco-der-glasbehalter