Die Braut trug schwarz

Truffaut an Hitchcock

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Sie stellt eine ebenso schöne wie coole Erscheinung dar und trägt ihre schwarzen, weißen oder schwarzweißen Kleider einer eleganten Uniform gleich, während sie offensichtlich in einer unbeirrbaren Mission unterwegs ist: Jeanne Moreau als Rache-Diva in François Truffauts Die Braut trug schwarz aus dem Jahre 1968. Nach dem Kriminalroman The Bride Wore Black des New Yorker Schriftstellers Cornell Woolrich von 1940 inszeniert entfaltet sich hier die Geschichte einer Frau, die allein für das Ziel lebt, diejenigen gnadenlos zu eliminieren, die ihr auf dem Höhepunkt des Glücks durch ein tödliches Ungeschick den geliebten Mann raubten.
Mit unumstößlicher Entschlossenheit rüstet sich die charismatische Julie Kohler (Jeanne Moreau) zum Aufbruch, verabschiedet sich flüchtig von ihrer besorgten Mutter (Luce Fabiole) mit vagen Angaben über ihren Verbleib und schickt sich an, mit dem Zug die Stadt zu verlassen. Doch über die Gleise kehrt sie heimlich wieder dem Bahnhof von Cannes den Rücken, um als mondäne, geheimnisvolle Fremde bald darauf auf dem Junggesellenabschied eines arroganten Frauenliebhabers aufzutauchen, den sie gezielt auf den Balkon des Hochhauses lockt, um ihn dann kurzerhand hinunterzustoßen und in der allgemeinen Verwirrung spurlos zu verschwinden. Nach diesem eiskalten Auftakt setzt sie ihren kühl kalkulierten Rachefeldzug mit weiteren Männermorden fort, während sich ihr tragisches Schicksal als untröstliche Witwe enthüllt, deren Bräutigam noch vor der Kirche direkt nach der Trauung erschossen wurde. Selbst als sie sich nach vier geradezu kreativen Taten von der Polizei verhaften lässt, hat sie nur scheinbar aufgegeben ...

Der französische Filmemacher François Truffaut (1932-1984) war einer der engagiertesten Theoretiker der Nouvelle Vague sowie ein großer Bewunderer der Regie-Legende Alfred Hitchcock (1899-1980), dem er 1966 mit dem auf ausführlichen Interviews beruhenden Buch Le cinéma selon Hitchcock / Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? ein Denkmal der Filmliteratur errichtet hat. Die Braut trug schwarz präsentiert sich in seiner puristischen Direktheit wohl am deutlichsten von den Werken Truffauts als Verbeugung vor dem britisch-amerikanischen Meister der subtilen Spannung. Der auf der DVD enthaltene Audiokommentar des Truffaut-Experten Robert Fischer, der auch diese Aspekte aufgreift, verführt dazu, diesen Film gleich noch einmal im Lichte dieser wachen Erläuterungen und Interpretationen anzuschauen, um der Faszination dieser seltsam berührenden Geschichte um Schuld und Vergeltung auf den Grund zu gehen.

Auch wenn Die Braut trug schwarz sich durch künstlerisch arrangierte, eindringliche Bilder auszeichnet, ist es häufig gerade das Vermeiden bestimmter nahe liegender Darstellungen, das den verborgenen Reiz der Dramaturgie und der starken, klassischen Motive ausmacht. Es ist dieses filigrane Spiel mit den Assoziationen des Zuschauers, das dieses inspirierende Werk zu einem Glanzlicht mit einiger filmgeschichtlicher Bedeutsamkeit werden lässt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/die-braut-trug-schwarz