Warheads

Im Dienste des Krieges

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Über drei Stunden hinweg widmet sich diese Dokumentation von 1992 der intensiven Betrachtung von Menschen, die ihr Leben innerhalb des schmutzigsten Geschäfts der Welt verbringen. Romuald Karmakar (Der Totmacher, 1995, Das Himmler-Projekt, 2000, Hamburger Lektionen, 2006) nimmt sich reichlich Zeit, um Söldnern wie Günter und Karl zu folgen und die bezahlten Krieger unaufdringlich dazu zu verführen, über ihren Alltag und ihr Leben zu erzählen – eine sichtlich ungewohnte, doch nicht unangenehme Beschäftigung für die gewöhnlich eher schweigsamen Charaktere, die sich mit Haut und Haaren dem Kriegstreiben verschrieben haben.

Was sind das für Menschen, die ihre sozialen und lokalen Bande komplett hinter sich lassen, um in die berühmt-berüchtigte, multinationale Légion Étrangère, die französische Fremdenlegion einzutreten? Der Deutsche Günter Aschenbrenner war einer von ihnen, und vor der Kamera, mitunter von milden Fragen dirigiert, berichtet er von seiner unruhigen, gefährlichen Existenz, von seiner schweren Kindheit im Nachkriegsdeutschland, von Feld-Bordellen und vom "Geist der Legion", der er zwanzig Jahre lang angehörte und die sein Leben nachhaltig geprägt hat. Viele ehemalige Söldner, wie auch Günter, sind schließlich international in der Ausbildung von Soldaten oder auch Guerilla-Gruppen tätig. Im Kreise von Gleichartigen kommen bei einigen Glas Bier dann auch die alten Lieder zum Klingen, und es wird deutlich, dass auch durchaus sentimentale Bindungen zum Kriegsverein bestehen. Im Zusammenhang mit Günters Erzählungen wird ein Ausbildungscamp in Mississippi gezeigt, in dem meist junge Freiwillige sich im Umgang mit den unterschiedlichsten Waffen und in Nahkampfstrategien üben, unter denen auch der Inhaber einer Dienstleistungsfirma für Sicherheit in ganz besonders schweren Fällen aus Deutschland zu finden ist, der gelegentlich Mitarbeiter bei dieser Weiterbildung begleitet.

Den Söldner Karl trifft Romuald Karmakar in Kroatien, das zum Zeitpunkt der Dreharbeiten um seine Unabhängigkeit kämpfte. Karl schlägt sich sozusagen als freier Krieger dort durch, wo er gerade gebraucht wird und vor allem auch ins Geschäft kommen konnte, was sich als nicht immer einfacher Aspekt seines Lebensstils herausstellt. Teilweise in Eigeninitiative reist er in Krisenregionen, benutzt oder knüpft einschlägige Kontake und bietet seine Dienste an. Es ist dem von Valium und einigen Gesundheitsschäden gezeichneten Mann in den mittleren Jahren anzumerken, dass er seine Situation und im Grunde nirgendwo als im jeweiligen Einsatz verortete Haltung mehr als ein Mal durchdacht hat, und seine Reflexionen über den schweren Wechsel zwischen seiner allgegenwärtigen kämpferischen und einer zivilen Welt entwerfen ein eindringliches Bild seiner abgrundtiefen Einsamkeit. Dennoch empfindet sich Karl durch sein immerhin völlig außergewöhnliches Leben als privilegiert, und er schwärmt auch von der Faszination der Ungewissheit und des besonderen Reizes, ein Söldner zu sein, was offenbar schlicht sein Schicksal ist.

Erst neunzehn Jahre alt ist die in München aufgewachsene Maja, die aus Zagreb stammt. Auch sie trifft der Regisseur in Kroatien, wo sie als freiwillige Soldatin gegen die Serben kämpft, deren Gräueltaten sie heftig anklagt. Nichts habe sie mehr in Deutschland halten können, als der Krieg in der alten Heimat ausbrach, und sie werde nicht weichen, bevor Kroatien auch faktisch seine Unabhängigkeit erhalte. Einige Schrecken habe sie bereits hier gesehen, und diese Erfahrungen haben sie verändert und in ihrem Idealismus bestärkt, erläutert Maja, und es ist ihr anzumerken, dass sie inmitten der Kriegshandlungen auch einen Ort gefunden hat, an dem sie sich am rechten Platze fühlt.

Auch wer sich nicht speziell für Fremdenlegionäre und andere käufliche Kriegsdienstler interessiert, wird im Laufe der sehr ausführlichen Dokumentation beinahe zwangsläufig von den Geschichten der Protagonisten berührt, die trotz ähnlicher Lebenspriorität sehr unterschiedliche Persönlichkeiten wie auch Typen darstellen. Bei Zeiten entsteht das Bedürfnis, auf Grund fehlenden Verständnisses noch ein wenig tiefer in die Motivationen der Porträtierten zu blicken, doch Romuald Karmakars Arbeit gestaltet sich zu Recht so zurückhaltend und rücksichtsvoll, dass der Respekt den Menschen gegenüber die Schwelle zur offenen Neugier nicht übertritt – dennoch ein bedrückendes Zeugnis der selten konkret wahrgenommmenen Söldner dieser Welt, für die der Krieg den Berufsalltag darstellt.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/warheads