Battle for Haditha

Fiktive Chronik eines Kriegsverbrechens

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Traurige wie skandalöse Berühmtheit hat die irakische Stadt Haditha erreicht, wo am 19. November 2005 US-amerikanische Soldaten des Marine Corps 24 unbewaffnete Menschen aus der Zivilbevölkerung durch Schüsse und Handgranaten töteten. Die Schilderungen dieser humanistischen Katastrophe variieren je nach Perspektive und politischer Position: Dem offiziellen Bericht der Marines nach seien diese Personen, unter denen sich auch Frauen und Kinder befanden, auf Grund einer vorangegangenen Bombenexplosion und im anschließenden Kugelhagel zu Tode gekommen, und es gab einige Bemühungen von Seiten des Militärs, dieses Kriegsverbrechen zu vertuschen. Nach einer ausführlichen Untersuchung der Ereignisse jedoch kam auch das US-amerikanische Verteidigungsministerium wie zuvor bereits einige Journalisten – allen voran ein Iraker, der am Tag danach dort Aufnahmen mit einer Videokamera machte und das Material dem Time Magazine zuspielte, wodurch der unglaubliche Vorfall publik wurde – zu dem Schluss, dass es sich um eine Vergeltungsaktion der Soldaten gehandelt habe, die nach dem Tod eines Marines durch die Bombe aus Rache diese Menschen hingerichtet haben. Battle for Haditha stellt eine fiktive Verarbeitung dieses Skandals dar, der es gelingt, die in den Medien überwiegend namenlosen Opfer zu personifizieren und eine Geschichte für sie zu konstruieren, die so, ähnlich oder auch anders hätte sein können, auf jeden Fall aber den letzten Tag unschuldiger Menschen dokumentiert, die durch militärische Willkür aus dem Leben katapultiert wurden.

Die Stimmung unter den Soldaten des Marine Corps unter der Leitung von Sergant Ross (Eric Mehalacopoulos) ist ebenso verhohlen furchtsam wie aggressiv aufgeladen, denn die Stadt Haditha hat sich zum Zentrum des irakischen Widerstands entwickelt. Äußerste Vorsicht wird den jungen Soldaten empfohlen, die aus ganz unterschiedlichen Motivationen die Entscheidung zu diesem Einsatz getroffen haben, denn für die irakischen Rebellen stellen sie lediglich Zielscheiben dar, so lautet der Tenor, und selbst Kinder und Frauen seinen mit Waffen ausgerüstet. Die Truppe entlädt die Angespanntheit in derben Späßen und permanten Flüchen untereinander, die das vorgegebene Feindbild manifestieren.

Derweil ereignet sich nahe einer Brücke das ganz alltägliche, sorgenvolle Dasein irakischer Familien in Bürgerkriegszeiten – jener Brücke, unter der bald darauf während der Überquerung eines Militärkonvois des Marine Corps unter der Führung von Corporal Ramirez (Elliot Ruiz) eine Bombe explodieren wird. Die Vorbereitungen zu diesem Anschlag, der von dem älteren Familienvater Ahmad (Falah Abraheem Flayeh) und dem jungen Jafar (Oliver Bytrus) für tausend Dollar im Auftrag der organisierten Aufständischen ausgeführt werden soll, befinden sich in der letzten Phase. Den beiden Männern wird die Bombe ausgehändigt und sie machen sich daran, diese am hellen Tag unter der Brücke zu vergraben – eine Aktion, die von den Anwohnern nicht unbemerkt bleibt. Die Familie der jungen, schwangeren Hiba (Yasmine Hanani) verfällt in panische Ängste und berät hilflos, was nun zu tun sei, während die Attentäter sich mit Waffengewalt Zugang zu einem Haus verschaffen, das einen direkten Blick auf die Brücke bietet, um bei Ankunft des Militärkonvois den Sprengsatz zu zünden. Als dieser detoniert und ein junger Soldat schwer verwundet wird, eskaliert die Wut der Marines, die die umliegenden Häuser stürmen und auf der Suche nach den Verantwortlichen beginnen, die unbeteiligten Bewohner zu töten.

Regisseur Nick Broomfield nennt Battle for Haditha ein Experiment, das so realistisch wie möglich unter der Mitwirkung von ehemaligen Marines und irakischen Darstellern inszeniert wurde. Der Film, der in Jordanien gedreht wurde, will drei Perspektiven repräsentieren: des US-amerikanischen Militärs, der Attentäter und ihrer Auftraggeber sowie jene der Opfer, deren Lebensbedingungen vor ihrer Ermordung geschildert werden, was sicherlich eine der wichtigsten und berührendsten Komponenten der Geschichte darstellt. Die feindselige Stimmung auf allen Seiten wird ausführlich transportiert, die von gewaltigen Unsicherheiten und Berührungsängsten geprägt ist, was angesichts der schwierigen sozialen und politischen Situation der Besatzung nicht verwunderlich ist.

Auch wenn zu spüren ist, dass sich der britische Regisseur, der auch das Drehbuch schrieb, um differenzierte Betrachtungen der unterschiedlichen Positionen und Figuren bemüht hat, gelingt dies nicht immer ganz. Doch die gängigen reproduzierten Stereotype, die sich vor allem in der Darstellung der permanent fluchenden Marines finden, nehmen nur wenig Raum ein und werden im Verlauf der Handlung ansatzweise relativiert. Die DVD ist mit einigen sehenswerten Extras ausgestattet, wobei die unangebracht heiter und ein wenig triumphal wirkende Präsentation des Films von Nick Broomfield beim Nachrichtensender Al Dschazira den Sensationsaspekt illustriert, der mit seinem Erscheinen einhergeht – ein ambivalenter Effekt, der wie bei allen Geschichten nach tatsächlichen, schrecklichen Begebenheiten zwischen wichtiger Reflexion und kommerzieller Ausbeutung oszilliert.

Battle for Haditha stellt insgesamt eine vielschichtige, durch drastische Bilder aufwühlende, intensive und anklagende Fiktion der entsetzlichen Kriegsverbrechen in Haditha von 2005 dar, die den Ereignissen und vor allem den Opfern eine humanistische Betrachtung widmet, welche die zahlreichen Berichte in den Medien um eine ganz persönliche Fokussierung der Betroffenen und ihrer Familien ergänzt.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/battle-for-haditha