Penelope

Ein bemerkenswertes Debüt

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Das Spielfilmdebüt des in Kanada geborenen, in den USA lebenden Regisseurs Mark Palansky versammelt mit bekannten Darstellern wie Christina Ricci, James McAvoy, Peter Dinklage und Reese Witherspoon eine ansehnliche Schauspieltruppe. Penelope, der beim Toronto Film Festival 2006 seine Premiere feierte, wird zwar als modernes Märchen oder auch als romantische Komödie ausgewiesen, überrascht jedoch nach einem für das Genre noch recht typischen Auftakt im Verlauf der Handlung durch geradezu zynische Elemente, differenzierte Protagonisten und eine filigran installierte, doch nichtsdestotrotz wache und deutliche Gesellschaftskritik, die zu klaren Aussagen gegen nichtsnutzige Konventionen gelangt und sich auch nicht scheut, das als glücklichen Ausgang erwartete Ende vor einer allzu seichten Oberflächlichkeit zu bewahren.

Die Freude über die Ankunft ihrer Nachkommenschaft ist bei der adeligen, wohligst situierten Familie Wilhern stets von einer mehr oder weniger leisen Furcht begleitet, denn seit langer Zeit lastet auf Grund der Sünde eines unseligen Urahnen ein Fluch auf diesem Geschlecht, der die erstgeborene Erbin mit den Gesichtszügen eines Schweins bedroht. Doch die Generationen folgen mit ausschließlich männlichen Kindern aufeinander, bis mit Penelope (Christina Ricci), die bis ins heiratsfähige Alter von ihren Eltern Jessica (Catherine O’Hara) und Franklin (Richard E. Grant) konsequent unter Vorspiegelung ihres frühen Todes von der Öffentlichkeit abgeschirmt wird und in einem luxuriösen Gefängnis aufwächst, tatsächlich ein Mädchen mit einer monströsen Nase geboren wird. Besonders ihre Mutter Jessica zieht alle Register, um Penelope mit einem beliebigen jungen Mann aus Adelskreisen zu vermählen, um dadurch den Fluch und gleichzeitig den auffälligen, inoperablen Zinken der Tochter zu neutralisieren – eine Prophezeiung, an die sich die Eltern klammern, die seit der Geburt ihrer Tochter gemeinsam mit ihr ein zurückgezogenes, tristes Leben führen.

Doch trotz ihrer Weltabgeschiedenheit ist Penelope keineswegs ein dummes, hilfloses Mädchen, das auf die erkaufte, männliche Erlösung wartet, sondern eine eigenwillige Persönlichkeit von 25 Jahren, die die Enge ihrer Isolation ebenso leid ist wie die von der Mutter inszenierten Besichtigungstermine entsprechender Heiratskandidaten, die bei ihrem ungewöhnlichen Anblick schreiend die Flucht zu ergreifen pflegen – eine ebenso maßlos übertriebene wie zunächst verletzende, dann allerdings allenfalls lästige Reaktion der jungmännlichen, allzu empfindsamen Aristokratie. Als der sensationslüsterne Fotograf Lemon (Peter Dinklage) von diesen Veranstaltungen Wind bekommt, heftet er sich erneut an Penelopes Fersen, die er bereits von Geburt an verfolgte, um endlich eine Aufnahme ihres spektakulären Antlitzes zu ergattern. Schließlich engagiert er den glücklosen, heruntergekommenen Pokerspieler und Musiker Johnny (James McAvoy), der sich als potentieller Gatte Zugang zum Haus verschafft und die junge Frau insgeheim ablichten soll, doch die Angelegenheit verläuft keineswegs nach Plan, denn ausgerechnet Johnny kommt dem verzweifelten Mädchen auf menschliche Art näher. Und schließlich flieht Penelope mit einem Schal vor der Nase aus dem elterlichen, vermeintlichen Refugium in die Anonymität der Großstadt, wo sie sich den Zugang zu einem beinahe gewöhnlichen Leben erkämpft, das sie lustvoll zu entdecken beginnt, doch nicht nur Papa und Mama nehmen nun die Verfolgung der jungen Frau auf, sondern auch zunehmend die von ihrem Schicksal faszinierte Öffentlichkeit ...

Penelope ist die im Gewand einer milden bis mitunter gar unterschwellig rüden Satire erscheinende, heitere Geschichte einer modernen Emanzipation, deren unumwundene Moral geradezu im konstruktivistischen Sinne die (eingeschränkte) Wahrnehmung als Manifestation einer desolaten Realität identifiziert und damit den leicht eingängigen, üblichen Problem-Schemata romantischer Komödien eine klare Absage erteilt, die durch die dynamische, mehrdimensionale Wandelbarkeit der Charaktere noch unterstützt wird. Die tragische Frauenfigur wird nicht durch einen der potentiellen Retter, durch die Liebe oder einen speziellen Zauber befreit, sondern durch ihre selbstständigen Bewegungen hin zur Akzeptanz des eigenen, defizitären Wesens und damit zu einem stabilen Selbstwertgefühl, dessen Basis der Respekt vor dem individuellen, eigenartigen So-Sein darstellt. Mark Palansky hat allerdings einen breiten Zuschauergeschmack berücksichtigt und der Dramaturgie damit ein wenig die angedeutete Radikalität geraubt, doch dennoch stellt Penelope ein überraschend bemerkenswertes und frisches Debüt dar, dessen simple wie signifikante Essenz am Ende einem Kind in den Mund gelegt wird: Es ist nicht die Macht des Fluches, die entscheidend ist, sondern die Macht, die man diesem einräumt.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/penelope