Gruppenbild mit Dame

Dame ohne Gruppenbild

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Im Jahre 1977 wurde diese Literaturverfilmung nach dem gleichnamigen berühmten Roman von Heinrich Böll, der 1971 erschien, im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes uraufgeführt. Doch die Palme in Gold ging in jenem Jahr an den Film Padre Padrone – Mein Vater, mein Herr / Padre Padrone von Paolo und Vittorio Taviani, und Gruppenbild mit Dame des serbischen Regisseurs Aleksandar Petrović, dessen Film Skupljači perja / I Even Met Happy Gypsies 1967 in Cannes mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde, ging leer aus. Zu Recht, wenn man der Hauptströmung der damaligen Kritik folgt, die die filmische Umsetzung des gefeierten und ausführlichst analysierten Buches, das einen Meilenstein innerhalb der Literaturgeschichte markiert, schlichtweg als misslungen bezeichnete.
Die hübsche Leni (Romy Schneider), die aus gut situierten Verhältnissen stammt, erleidet während der NS-Zeit in Deutschland vielfältige Verluste, doch das beeinträchtigt weder ihren strategischen Überlebenswillen, noch ihre konsequente, humanistische Grundhaltung. Als ihr Freund Erhard (Vadim Glowna) als Soldat in Dänemark stationiert ist, besucht die junge Frau ihn dort, und er überrascht sie mit dem Plan, in der Nacht auf dem kurzen Wasserweg nach Schweden zu desertieren und Leni bald nachkommen zu lassen. Doch das wenig durchdachte Vorhaben scheitert und Erhard sowie sein Freund, der mit von der Partie war, werden entdeckt und erschossen, so dass Leni nach Deutschland zurückkehrt.

Während ihr Vater im Konzentrationslager inhaftiert ist, arbeitet die tapfere und unerschütterliche Humanistin, die sich auch durch gute Kontakte organisiert und ein würdiges Überleben sichert, in einer Friedhofsgärtnerei – ein Geschäft, das gerade in Kriegszeiten niemals zur Ruhe kommt. Dort engagiert sie sich hartnäckig für den Russen Boris (Brad Dourif), der sich als Kriegsgefangener nur allzu häufig Schikanen ausgesetzt sieht und permanent um sein Leben bangen muss. Rasch verliebt sich Leni in den feinfühligen, klugen Ingenieur, der sehr gut Deutsch spricht und Verse von Georg Trakl rezitiert. In diesen letzten Tagen des Krieges erleben die beiden eine innige Affäre, stets in der Gefahr, entdeckt und denunziert zu werden oder den Bomben der Aliierten zum Opfer zu fallen, denn während ihre Arbeitskollegen beim Bombenalarm in den nächsten Bunker eilen, nutzen die Liebenden die unbeobachteten Augenblicke für sich, und bald wird Leni schwanger ...

Es sind keineswegs die beeindruckenden schauspielerischen Leistungen – allen voran Romy Schneider, die dafür mit dem Filmband in Gold prämiert wurde, und der äußerst vielseitige Brad Dourif (bekannt unter anderem als grandioser Billy Bibbit in Einer flog über das Kuckucksnest / One Flew Over The Cuckoo´s Nest von Miloš Forman aus dem Jahre 1975) –, die den Film letztlich trotz einiger sehenswerter Ansätze zu einer Enttäuschung werden lassen, sondern die defizitäre Dramaturgie, der es nicht gelingt, die komplexe, sehr schön verwobene Geschichte der literarischen Vorlage angemessen und schlüssig zu transportieren, so dass selbst der Fokus auf die vielschichtige Figur der Leni, der sich recht ansprechend gestaltet, die bei Zeiten gar leicht konfusen Zusammenhänge nicht ausbalancieren kann. Zu viele bedeutsame Aspekte bleiben unberücksichtigt, und die teilweise nur wenig effektiv angedeuteten, undurchsichtigen Verstrickungen der Nebencharaktere führen dazu, dass Gruppenbild mit Dame auch für sich und nicht nur als filmische Adaption des Romans betrachtet kaum überzeugen kann, und das trotz der anfänglichen Präsenz und Mitarbeit Heinrich Bölls bei den Dreharbeiten, die sich allerdings rasch verflüchtigte – ebenso wie der Film nur einen flüchtigen Blick auf seine Geschichte darstellt, ohne ihrer mitunter dokumentarischen Eindringlichkeit gerecht zu werden.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/gruppenbild-mit-dame