Slogan

Jane Birkin und Serge Gainsbourg

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Da rasiert sich ein Mann im Zug, zieht plötzlich die Notbremse, springt hinaus, schnappt sich das Motorrad eines Typen, der an der Bahnschranke hält, rast in die Stadt, stürmt in ein Geschäft, boxt die Leute aus der Warteschlange an der Kasse. Er räumt auch den Kassierer aus dem Weg, schnappt sich eine Packung und eilt auf gleichem Weg zurück zum Zug, den er gerade noch in einem waghalsigen Stunt erreichen kann. Zurück vor dem Spiegel bewirbt er die Wirkung des neuen Rasierwassers, das er sich gerade besorgt hat, um dann in den Armen einer barbusigen, überwältigten Blondine zu versinken – ein Werbespot, der durchaus in die heutige Zeit passen würde. Doch so beginnt der legendäre Film Slogan von Pierre Grimblat aus dem Jahre 1968, der selbst ein mehrfach ausgezeichneter Werbefilmer war, bevor er sich vorwiegend dem Spielfilmen widmete.
Serge Fabergé (Serge Gainsbourg) ist ein berühmter Werbefilmer, der wieder einmal in Venedig mit einem Preis ausgezeichnet wird, als er dort der naiven, niedlichen Evelyne (Jane Birkin) begegnet, die er sofort als Ziel seines neusten Begehrens identifiziert. Denn der vor seinem Alter flüchtende 40Jährige, der kaum Zeit mit seiner kleinen Familie verbringt und von seiner schönen Frau Françoise (Andréa Parisy) an der sprichwörtlichen langen Leine gehalten wird, hat einen gewaltigen, meist sich rasch erneuernden Bedarf an jungen, sexy Frauen, die dem reichen, attraktiven Exzentriker nur allzu gern Gesellschaft leisten. Doch nach einigem turbulentem Hin und Her entwickelt sich die Beziehung zwischen Serge und Evelyne so ernsthaft, dass der flatterhafte Künstler daran denkt, Frau und Kind zu verlassen, um mit seiner jungen Geliebten zu leben, die sich aus einer großen Leere und Langeweile heraus heftig ein Kind von ihm wünscht ...

Als den französischen Regisseur Pierre Grimblat der Kummer um eine gescheiterte Liebe bedrückte, riet ihm sein Freund François Truffaut, doch einen Film aus der Geschichte zu machen und diese damit hinter sich zu lassen. So entstand Slogan als ein sehr persönlicher, autobiographischer Film, dessen Wendungen mit dem Lebensweg des Filmemachers korrespondieren, wie beispielsweise die Entwicklung vom Werbefilmer zum Drehbuchautoren und Spielfilmregisseur. Für die männliche Hauptrolle kam für Pierre Grimblat schlicht nur Serge Gainsbourg (1928-1991) als optimale Besetzung in Frage, doch nach dessen weiblichem Pendant musste er lange suchen, da er aus sentimentalen Gründen ein ganz genaues Bild dieser Frau vor Augen hatte, das er schließlich in Jane Birkin verkörpert fand, die er in London sichtete. Doch die Zusammenarbeit zwischen der jungen, unerfahrenen Britin, die kein Französisch sprach, und dem anspruchsvollen Star Serge Gainsbourg gestaltete sich anfänglich für alle Beteiligten äußerst unerquicklich, bis der Regisseur beide zu einem Arbeitsgespräch am Abend in ein Restaurant einlud – und einfach nicht erschien, was den Beginn einer legendären Künstlerliebe zur Folge hatte, der auch die Schauspielerin und Sängerin Charlotte Gainsbourg (21 Gramm / 21 Grams, 2003, I´m Not There, 2007) entstammt, die gerade mit Lars von Trier seinen neuen Film Antichrist dreht.

Es ist nicht die schlichte Geschichte, die Slogan zu einem außergewöhnlichen macht, sondern zunächst die für damalige Verhältnisse innovative Machart, die besonders am Anfang wie eine Komposition aus einzelnen, erweiterten Werbespots wirkt, die sparsam mit surrealistischen Elementen gespickt sind und damit die verspielte, magische und rauschhafte Anfangsphase der Verliebtheit des Paares betonen. Konstruktionen wie der grandiose Kniff des Regisseurs, Aufnahmen einer tatsächlichen Preisverleihung in Venedig mit denen der fiktiven Handlung spektakulär zu verweben – der sichtlich nervöse Serge Gainsbourg nahm zum Erstaunen von Veranstaltern und Publikum kommentarlos auf der Bühne den Preis entgegen, den eigentlich Pierre Grimblat selbst gewonnen hatte –, untersteichen den avantgardistischen Charakter des Films. Retrospektiv hat Slogan auch dadurch eine große Popularität erreicht, weil sich die filmische Liebesaffäre in der Realität fortgesetzt hat und sehr treffend das Lebensgefühl der Bohème der 68er-Generation skizziert, das Serge Gainsbourg wie kein anderer repräsentierte, der auch die mal sehr gefühlvolle, dann wieder geradezu ironisierende Filmmusik komponierte. Aus feministischer Sicht erscheint das Frauenbild, das in Slogan gezeichnet wird, ziemlich erbärmlich, was allerdings auch als die Darstellung der von Imponiergehabe und Narzissmus geprägten Männerwelten interpretiert werden kann. Doch auch dieser Aspekt ist ebenso wie die gesamte Rolle dem grandiosen Serge Gainsbourg geradezu auf den sexy Leib geschrieben, der als melancholischer, egozentrischer Herzensbrecher brilliert, was ihm ausgezeichnet steht.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/slogan