Good

Vom Leben eines Mitläufers

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

"Das Böse triumphiert allein dadurch, dass gute Menschen nichts unternehmen." Dieser Ausspruch von Edmund Burke steht über Vicente Amorims Film Good. Der gute Mensch ist der Literaturprofessor John Halder (Viggo Mortensen), der in Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus lebt. Stets ist er bemüht, das Richtige zu tun: Er unterstützt seine neurotische Frau Helen (Anastasia Hille), kümmert sich um seine Kinder und hilft seiner kranken alten Mutter (Gemma Jones). Die Warnungen seines Schwiegervaters, ohne Eintritt in die NSDAP könne er seine Karriere vergessen, ignoriert er – und trifft sich lieber mit seinem jüdischen Freund Maurice Glückstein (Jason Isaacs). Aber die Zeit lässt sich nicht aufhalten: Im April 1937 wird John Halder in die Kanzlei des Führers zitiert. Er hat einen Roman geschrieben, in dem der Ehemann seine kranke Frau aus Liebe tötet. Den Nationalsozialisten gefällt diese romantische Verklärung der Sterbehilfe, daher soll er für sie einen Artikel über die Form der "Erlösung" verfassen – in demselben Geist, in dem auch sein Roman geschrieben ist. Halder ist erleichtert, dass die Nationalsozialisten lediglich diese Bitte haben – und ignoriert, dass er eine moralische Rechtfertigung der Euthanasie entwerfen soll. Damit beginnt Halders Aufstieg innerhalb des nationalsozialistischen Systems. Er wird Teil der intellektuellen Elite, mit der sich die SS schmückt – und klammert sich an die Auffassung seiner jungen blonden Geliebten Anne (Jodie Whittaker), dass eine Sache, die so viele Menschen gut finden, nicht grundsätzlich schlecht sein kann. Halder ist ein Mitläufer, allerdings werden in Drehbuch und Inszenierung seine Konflikte kaum ausgearbeitet. Von Anfang an erscheint er als jemand, der Kompromisse eingeht: in seiner Ehe, seiner Karriere und sogar in seiner Affäre. Seine Bedenken gegen den Nationalsozialismus äußert er lediglich im Gespräch mit seinem jüdischen Freund, dennoch versucht er, allen warnenden Anzeichen eine gute Seite abzugewinnen. So könnte die Bücherverbrennung ein Signal sein, dass die Vergangenheit ausgelöscht und ein neuer Anfang möglich werde. Selbst als er eine Anstalt für Behinderte inspizieren soll, will er sich selbst lieber als Intellektueller sehen – und übersieht die Irritation des Arztes geflissentlich. John Halder will nur Gutes sehen. Die leisen Zweifel, die ihn von Zeit zu Zeit beschleichen, werden in dem Film durch einen Chor dargestellt, der Lieder von Gustav Mahler singt. Dieser Chor hat durchaus einen Verfremdungseffekt, so wird durch das Einsetzen des Gesangs inmitten der Reichspogromnacht durch die Diskrepanz von Abtransport und Gesang der Schrecken noch verstärkt. Doch das dramatische Potential dieses Mittels wird nicht ausgenutzt, so dass der beabsichtigte Effekt in der Schluss-Szene verpufft.
Good basiert auf einem Theaterstück von C. P. Taylor, in dem die Handlung aus verschiedenen streams of consciousness der Figuren besteht. Nun versucht der Film, aus diesen Gedanken eine Handlung zu entwickeln, in der Spannung vor allem durch Zeitsprünge entsteht. Am Anfang funktioniert dieser Ansatz durchaus, aber im weiteren Verlauf verliert der Film zusehends Lebendigkeit. Die Figuren erscheinen als schemenhafte Charaktere, die lediglich einen bestimmten Aspekt darstellen sollen: die junge blonde Geliebte verkörpert die Verführung zur Macht, die senile Mutter fungiert als komische Figur, die neurotische Ehefrau als exzentrisches Gewissen – und der jüdische Freund verdeutlicht die Moral der Geschichte. Dabei versuchen insbesondere Jason Isaacs und Viggo Mortensen, ihren Rollen die notwendige Komplexität zu verleihen. Doch sie müssen allzu hölzerne Dialoge sprechen und gegen eine Inszenierung anspielen, die zu zwischen Lehrstück und Drama schwankt.

Die Geschichte eines Mannes, der im Grunde genommen nichts Unrechtes tun wollte, aber doch zum Gehilfen eines mörderischen Regimes wurde, ist ein vielversprechender Ausgangspunkt für einen Film. Und tatsächlich werden in Good auch viele wichtige Fragen angesprochen. Allerdings sind die Antworten, die der Film findet, allzu deutlich.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/good