Salmonberries

Rote Frucht der Sehnsucht

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Beim World Film Festival in Montréal wurde Salmonberries 1991 mit dem Grand Prix of the Americas ausgezeichnet, und es sind vor allem drei klingende Namen, die diese tragische Geschichte in eiskalten Schneelandschaften zum Leben erwecken: Percy Adlon, Rosel Zech und k. d. lang. Der vielseitige Autor, Regisseur und Produzent Percy Adlon, der den wunderbaren, legendären Film Out of Rosenheim inszeniert hat, hat neben zahlreichen Preisen für sein Werk auch das Bundesverdienstkreuz erhalten und darf als Mitglied der Academy of Motion Picture Arts and Sciences mit darüber entscheiden, an wen der begehrte Filmpreis "Oscar" verliehen wird. Die Schauspielerin Rosel Zech, die in Filmen wie Die Sehnsucht der Veronika Voss von Fassbinder brillierte, aber auch in Debütfilmen wie Kammerflimmern mitwirkte, erhielt für ihre Leistung als Beste Darstellerin in Salmonberries den Bayerischen Filmpreis. Die kanadische Musikerin k. d. lang, bereits mehrfach mit dem Grammy ausgezeichnet, trat hier zum ersten Mal als Schauspielerin vor die Kamera und schrieb den Titelsong "Barefoot" zum Film.
Dass die gerade erwachsene Kotzebue (k. d. lang) eine junge Frau ist, sieht man weder auf den ersten, noch auf den zweiten Blick, zumal sich die seltsame Person mit Hang zu spontanen kleinen Aggressivitäten überhaupt in jeder Hinsicht sehr bedeckt hält. Ihr ungewöhnlicher Name ist derselbe wie der des Städtchens in Alaska, in dem sie lebt, und eines Tages ist das Drängen nach dem Wissen um ihre verborgene Identität so stark, dass sie ihre weit gehende Isolation aufgibt und sich zunächst rüde, penetrant und fordernd an die Bibliothekarin Roswitha (Rosel Zech) wendet, um Informationen über ihre Herkunft aufzuspüren. Roswitha stammt ursprünglich aus Deutschland und floh vor den quälenden Schatten ihrer tragischen Vergangenheit in diese kühle Gegend, wo sie seit über zwanzig Jahren sehr zurückgezogen lebt und einem harmlosen, nostalgischen Fetisch nachhängt: Sie schläft inmitten eines Zimmers voller farblich hübscher Gläser mit leuchtend roten Früchten des Rubus spectabilis, auch Salmonberry genannt.

Zwischen den ebenso grundverschiedenen wie ähnlich einsamen beiden Frauen entwickelt sich eine Annäherung, die so zerbrechlich ist, dass die kleinsten Grenzverletzungen auf Roswithas Seite bereits zum sofortigen Abbruch führen, doch der verzweifelten Hartnäckigkeit von Kotzebue gelingt es immer wieder, die mehr als doppelt so alte, verschlossene Festung einzunehmen, bis sie es schließlich ist, die Roswitha eine Konfrontation mit ihrem tragischen Schicksal in Deutschland ermöglicht, indem sie diese zu einer Reise nach Berlin einlädt, während welcher der Kampf um sehnsuchtsvolle Nähe und notwendige Distanz seinen Höhepunkt erreicht.

Es sind vorrangig die hellen, kargen Bilder im Schnee, die an Salmonberries berühren, teilweise mit sanfter, warmer Musik unterlegt. Agiert auch jede der beiden Hauptdarstellerinnen für sich genommen mit pointierter, hoher Intensität, so wirkt das Zusammenspiel mitunter zu wenig synchronisiert. Die interessante Geschichte vor allem Roswithas bricht recht abrupt ein, und die Emotionen der Protagonisten sind im Verlauf ihrer Platzierung innerhalb der Dramaturgie nicht immer verständlich. Dass genau diese Unstimmigkeiten erzeugt werden sollten, um die bröckelnde Zerrissenheit der beiden Frauen zu betonen, ist nicht unwahrscheinlich, doch zumindest die selten gelungenen Dialoge sind ein nicht geringes Manko des Films – während einige eher störend die Stille belärmen, die durch starke Bilder hätte bewegen können, sind andere wiederum allzu naturalistisch in gewöhnlichem Sinne, so dass die Außergewöhnlichkeit der Figuren darunter leidet. Dennoch ist Salmonberries eine sehenswerte Geschichte, deren Qualitäten jedoch so isoliert erscheinen wie die Charaktere der beiden Heldinnen, zwischen denen es auch am Ende keine wahrhaft erwärmende Berührung gibt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/salmonberries