Homo Faber

Betrachtungen über Zufall und Schicksal

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Erstmals erscheint nun ein Film auf DVD, dessen literarische Vorlage ebenso berühmt ist wie sein Regisseur und seine Darsteller, ein hochkarätiges Werk, dessen Inszenierung dennoch nicht unumstritten ist. Homo Faber von Volker Schlöndorff, der als Experte für Literaturverfilmungen gilt und bereits gekonnt Werke von Grass, Böll und Musil an die Leinwand adaptiert hat, entstand nach dem Roman Homo faber. Ein Bericht von Max Frisch, und wie in diesem Genre üblich kreist die Kontroverse innerhalb der Rezeption des Films überwiegend um die Nähe zur ursprünglichen literarischen Version der Geschichte. Dass diese für den Regisseur auch eine zutiefst persönliche Komponente hatte, erzählt Schlöndorff ausführlich im sehr umfangreich und hervorragend gestalteten Bonus-Material auf einer zweiten DVD mit Extras.
Auf einer seiner zahlreichen beruflichen Reisen begegnet der UNESCO-Ingenieur Walter Faber (Sam Shepard) im Alter von fünfzig Jahren unvermittelt Ausläufern seiner Vergangenheit, die das so sorgfältig wie nüchtern eingerichtete Weltbild des kultivierten Rationalisten heftig attackieren. Zunächst trifft er am Flughafen auf Herbert Hencke (Dieter Kirchlechner), der sich als Bruder seines alten Freundes Joachim (August Zirner) entpuppt, und spontan schließt er sich diesem an, um Joachim wiederzusehen, doch als die beiden Männer ihn schließlich auf seiner Tabakplantage finden, baumelt sein Körper leblos von der Decke. Bald darauf trifft Faber während einer Schiffspassage auf die 20jährige (Eli-)Sabeth (Julie Delpy), die ihn so seltsam stark berührt, dass er all seine geschätzte Routine über den Haufen schmeißt und das Mädchen auf einer Reise durch Europa begleitet. Die beiden werden ein Liebespaar, und als Sabeth von einer Schlange gebissen gefährlich stürzt, trifft Faber auf deren Mutter Hanna (Barbara Sukowa) – seine einstige Jugendliebe, die damals ein Kind von ihm erwartete, zu dem er sich nicht eindeutig bekennen wollte, was zur Trennung führte, nach welcher Hanna dann Joachim heiratete. Während Hanna und Walter um Sabeths Leben bangen, muss der an seiner Weltsicht gescheiterte Mensch Faber sich damit auseinander setzen, dass die Frau, mit der er geschlafen hat, seine Tochter ist ...

Homo Faber gewann 1992 im Rahmen des Deutschen Filmpreises den Film Award in Silber, den Produzentenpreis des Bayerischen Filmpreises sowie den Award in Silber der Gilde deutscher Filmkunsttheater. Autor Max Frisch, der rege und kritische Beteiligung an der Verfilmung seines Stoffes nahm, konnte noch die Rohfassung des Films sehen, der 1991 in die Kinos kam, bevor er im selben Jahr verstarb. Sind die Betrachtungen im Zusammenhang mit der literarischen Vorlage auch sicherlich spannend, so ist Homo Faber auch für sich allein genommen ein beachtenswertes Werk mit absolut glaubwürdig agierenden Akteuren, das Schlöndorff konsequent und gelungen mit hübschen nostalgischen Details in der Welt der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts angesiedelt hat, in welcher auch die Buchvorlage spielt, wobei die rückwärtigen Erzählungen der Vorgeschichte aus den dreißiger Jahren stimmig integriert sind.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/homo-faber