Cannabis – Engel der Gewalt

Killer in der Krise

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Auch wenn der Titel es nahe legt, ist der Film von Pierre Koralnik aus dem Jahre 1970 keineswegs primär eine Geschichte um Rauschmittel, sondern ein aktionsreiches Mafia-Stück der etwas anderen Art. Gibt es auch reichlich kämpferisch-blutige Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten kriminellen Lagern, so bestimmen doch die Loyalitätskonflikte der gewöhnlich eiskalten Killer und eine skandalöse, seltsame Liebesgeschichte die Atmosphäre von Cannabis – Engel der Gewalt / Cannabis, die mit ihren manchmal geradezu prunkvollen, intensiven Bildern recht untypisch für das Genre ist.
Ziemlich ungern lässt sich der versierte Profikiller Serge (Serge Gainsbourg) von der Mafia nach Paris schicken, um den Kopf eines konkurrierenden Clans (Curd Jürgens) um den Drogenhandel zu liquidieren, und tatsächlich wird er gleich nach seiner Ankunft von einem schusskräftigen Empfangskomitee schwer verletzt. Er findet Unterschlupf und Fürsorge bei der jungen Jane (Jane Birkin), der hübschen und gelangweilten Tochter eines Botschafters, die er auf dem Flug aus den USA nach Paris kennen lernt, und rasch geraten die beiden in eine heftige erotische Obsession miteinander, während Serge sich langsam von seinen Wunden erholt. Bald gesellt sich der unbändige Paul (Paul Nicholas) zu dem Paar, von Serges Auftraggebern zur Unterstützung gesandt, der schon so manchen Job gemeinsam mit seinem Kumpel erledigt hat und diesen schätzt und bewundert. Als es Serge besser geht, machen sich die beiden Killer gnadenlos daran, den Überfall zu rächen und ihr streng bewachtes Opfer aufzustören, wobei sie bereits im Visier der Polizei stehen.

Während der selbstverliebte Paul ganz in seinem durchgeknallten Habitus als verwegener, brutaler Killer aufgeht, hat Serge sich nicht zuletzt durch die intensive Beziehung zu Jane verändert, und der Plan, komplett aus dem Geschäft auszusteigen, festigt sich immer mehr. Das beunruhigt nicht nur Paul, dem die Turtelei des Paares ohnehin von Anfang an missfiel, sondern auch die amerikanische Mafia, die beschließt, Serge durch Paul beseitigen zu lassen – ein Auftrag, der den sonst so gedankenlosen Engel der Gewalt in ungewohnte Gewissenskonflikte stürzt.

Zweifellos ist es die illustre Schauspielertruppe, die diesen Film trägt, allen voran der unendlich melancholische Serge Gainsbourg, der auch die Filmmusik komponierte, und die beinahe kunstvoll konturenlos wirkende Jane Birkin, deren hüllenloser Körper so manche Szene dominiert – die beiden wurden auch privat ein Paar und später die Eltern der französischen Akteurin und Musikerin Charlotte Gainsbourg. Unter den Extras der DVD befindet sich eine 31minütige Dokumentation mit den Betrachtungen Jane Birkins, des Regisseurs Pierre Koralnik und des Kameramannes Willy Kurant über den Film, die rückblickend auch eine erstaunlich selbstkritische Haltung zu dem Werk transportiert, das allerdings trotz seiner Schwächen auch heute noch sehenswert ist.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/cannabis-engel-der-gewalt