Das große Fressen

Schöner sterben

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Der Plan ist denkbar einfach und höchst effektiv: Vier Freunde nisten sich in einer Villa ein, um sich dort im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode zu fressen. Warum der Pilot Marcello (Marcello Mastroianni), der Fernsehproduzent Michel (Michel Piccoli), der Koch Ugo (Ugo Tognazzi) und der Richter Philippe (Philippe Noiret) überhaupt des Lebens überdrüssig sind, das lässt sich auf eine ganz einfache Formel bringen – ihnen ist es buchstäblich todlangweilig, sie sind lebensmüde, die Freuden und Genüsse des Lebens schmecken abgestanden und sorgen nicht mehr für den nötigen Kick, um das Leben in all seiner Banalität weiterhin zu ertragen, geschweige denn zu goutieren. Unterstützt von der Lehrerin Andrea (Andrea Ferréol) und einigen Prostituierten beginnen die Herren eine Fress- und Fickorgie, die schließlich sogar die sanitären Einrichtungen zum Bersten bringt und die in den Tod führt.
Marco Ferreris Film Das große Fressen / La grande bouffe gehört unzweifelhaft zu den skandalösesten Werken der Filmgeschichte. Thematisch eng verknüpft mit Pier Paolo Pasolinis Salò oder Die 120 Tage von Sodom provozierte der Film bei seinem Erscheinen dermaßen, dass die Zuschauerreaktionen sehr heftig ausfielen – so gibt es Gerüchte von Ohnmachtsanfällen und Kinobesuchern, die sich ob der dargestellten Exzesse, der hörbaren Blähungen und den Fäkalien gleich reihenweise übergaben. In Irland war der Film erst gar nicht zu sehen, und in Deutschland hatte der Filme lange Jahre keine Jugendfreigabe.

Ferreris Film ist ein wütender nihilistischer Protest gegen die Überflussgesellschaft, gegen Hedonismus und die Abstumpfung der Sinne; mit anderen Worten – ein Film, den man auch heute noch sehen kann und der nichts an seiner Aktualität und Brisanz verloren hat. Ein Meisterwerk des Kinos der siebziger Jahre.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/das-grosse-fressen