Kundun - Arthaus Collection

Aus dem Leben des Dalai Lama

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Mit Kundun aus dem Jahre 1997 hat der US-amerikanische Star-Regisseur Martin Scorsese einen Spielfilm in Szene gesetzt, der auf der wahren Lebensgeschichte des buddhistischen Mönches Tenzin Gyatso basiert. Und bei diesem Mönch handelt es sich um Seine Heiligkeit den gegenwärtigen 14. Dalai Lama, das Oberhaupt der tibetischen Buddhisten, der für seinen gewaltfreien Widerstand gegen die chinesische Besatzung Tibets vom indischen Exil aus 1989 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Kundun erzählt damit auch einen tragischen Teil der Geschichte des tibetischen Volkes, das bis heute unter der Herrschaft Chinas auf eine eigenständige, demokratische Regierung verzichten muss, ebenso wie auf die Anwesenheit ihres „Kundun“, was eine ehrenvolle Bezeichnung für diese religiöse und auch weltliche Autorität darstellt, die den Aspekt der Wiedergeburt betont. Der mittlerweile 73jährige Dalai Lama hat selbst am Drehbuch der Autorin Melissa Mathison (E.T. – Der Außerirdische / E.T. the Extra-Terrestrial) mitgearbeitet, und zahlreiche Exil-Tibeter tragen zudem als Laiendarsteller dazu bei, die ganz besondere, authentische Atmosphäre des Films entstehen zu lassen, der auf Grund seiner politischen Brisanz von den Chinesen weder für Tibet noch für China eine Drehgenehmigung erhielt.
Als kundige buddhistische Geistliche in Tibet in den 1930er Jahren auf ihrer Suche nach dem Kinde sind, das die Wiedergeburt des 1933 verstorbenen 13. Dalai Lamas verkörpert, weisen rasch alle Zeichen auf den zweijährigen Sohn einer Bauernfamilie hin. Im Alter von vier Jahren wird der energische Kleine nach Lhasa in den Palast gebracht, wo er von sanften Lehrern fürsorglich erzogen und auf seine künftige Position als Oberhaupt der Tibeter vorbereitet wird. Auch wenn er häufig Besuch von seiner Familie erhält, fühlt sich der Junge nicht selten fremd und einsam in seiner neuen Welt, die Großes von ihm erwartet, und die politische sowie militärische Bedrohung durch China grollt bereits in der Ferne heran.

Kundun wird in der Lehre des Buddhismus und in weltlichen Fächern unterrichtet, und er entwickelt sich zu einer wachen, eigenwilligen Persönlichkeit mit starkem Interesse an Wissenschaft und Bildung. Immer wieder muss er Abschied von geliebten Vertrauten nehmen, und letztlich sogar von seinem Volk und Land, als sein Leben nicht mehr sicher ist unter der zunehmenden Brutalität und Machtwillkür der chinesischen Besatzer, denen Tibet nahezu wehrlos ausgeliefert ist, so dass er sich schweren Herzens ins indische Exil rettet, von wo aus er noch heute für die Befreiung Tibets kämpft, ohne Gewalt und ohne nachzulassen.

Kundun fasziniert einerseits durch seine tragische, bewegende Geschichte, deren Intensität von der Perspektive des Kindes getragen wird, und andererseits durch seine atmosphärisch konzentrierte Inszenierung, die mal farbenprächtig und laut, dann wieder still und karg daherkommt. Die Musik von Philip Glass, die als eine von vier Kategorien für den Oscar nominiert wurde, erschafft eine zum Teil mystische Stimmung, die großartig mit Bildern tiefer Religiosität korrespondiert. Ein gelungener Film mit respektvollem Einblick in die Lehren und Realitäten des tibetischen Buddhismus, der sich würdig mit der Geschichte des 14. Dalai Lamas und dem Schicksal Tibets auseinander setzt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/kundun-arthaus-collection