Nacht fiel über Gotenhafen

Das Drama der Wilhelm Gustloff

Eine Filmkritik von Mike Swain

Regisseur Frank Wisbar war Ende der 50er Jahre einer der Spezialisten für das Aufarbeiten des deutschen Weltkriegstraumas. Am bekanntesten sind seine Filme Haie und kleine Fische (1957) und das Stalingrad-Drama Hunde, wollt ihr ewig leben (1959). Zwischen diesen zwei Kriegsfilmen entstand 1958 ein Werk, das auch aus heutiger Sicht immer noch politisch brisant und heikel ist, behandelt es doch das Drama der Flucht und Vertreibung Millionen Deutscher aus dem ehemaligen Ostgebieten: Nacht fiel über Gotenhafen.
Dreh- und Angelpunkt von Wisbars Film ist die Versenkung des Passagierschiffs Wilhlem Gustloff, das mit über 10.000 Flüchtlingen und Mitgliedern der Wehrmacht an Bord, die genaue Zahl ist strittig, am 30. Januar 1945 von einem sowjetischen U-Boot torpediert wurde. Sicher ist, dass mehr 8.000 Menschen in den eisigen Fluten der Ostsee den Tod fanden. Noch heute ist der Untergang der Wilhelm Gustloff die größte Katastrophe in der Geschichte der Seefahrt.

Doch Nacht fiel über Gotenhafen nimmt seinen Ausgang vor Beginn des Krieges. Auf einer Kreuzfahrt mit der Gustloff, noch als Kraft-Durch-Freude-Dampfer unterwegs, um Volksgenossen zum Urlaub zu verhelfen, lernt Maria Reiser (Sonja Ziemann) den chicen Marineoffizier Hans Schott (Erik Schumann) kennen. Doch dem beginnenden Techtelmechtel wird schnell durch Marias Ehemann Kurt (Gunnar Möller) der Garaus gemacht. Erst 1944 kreuzen sich die Wege von Maria und Kurt erneut. Diesmal ist der an der Front kämpfende Gatte machtlos, weil fern der Heimat, und prompt wird Maria schwanger. Sie beschließt nach Ostpreußen zu fahren, um den Bombenangriffen auf ihre Heimatstadt Berlin zu entgehen. Doch das ländliche Idyll ist nur von kurzer Dauer. Schon bald ist Maria wieder auf der Flucht, diesmal vor der näher rückenden Roten Armee. Und so kreuzen sich an Bord, der mit Flüchtlingen voll gepackten Wilhelm Gustloff, noch einmal schicksalhaft die Wege von Maria, Hans und Kurt, der schwer verletzt mit dem Schiff evakuiert werden soll.

Auch wenn die meisten der Tricksequenzen antiquiert wirken, ist Frank Wisbars Film noch heute sehenswert und aktuell. Die sonst eher aus Heimatfilmen wie Grün ist die Heide oder Schwarzwaldmädel bekannte Sonja Ziemann, liefert eine beeindruckende Leistung einer vom Leben hin- und her gerissenen Frau, kämpfend zwischen Liebe, Lust und Loyalität. Auch die Szenen der untergehenden Gustloff und dem verzweifelten Kampf der Passagiere um ihr Überleben gehen unter die Haut. Eins zeigt Frank Wisbar klar und deutlich: Im Krieg gibt es keine Sieger, sondern nur Opfer.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/nacht-fiel-uber-gotenhafen