Die Unberührbare

Der zelebrierte Schmerz der Verzweiflung

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Dieser Film ist eindeutig eine One-Woman-Show, die vom kraftvollen Spiel ihrer Hauptdarstellerin Hannelore Elsner lebt und qualvoll atmet. Mit ungeheurer Intensität und schwelender Schwere wird hier der düstere Weg einer Frau in den Abgrund nachgezeichnet, die sich angesichts persönlicher, künstlerischer sowie sozialer Widrigkeiten vergeblich zu fangen sucht. Die Unberührbare von Oskar Roehler, der auch das Drehbuch verfasste, ist inspiriert von der letzten Lebenszeit der Schriftstellerin Gisela Elsner (1937-1992), der Mutter des Regisseurs.
Als sich in deutschen Landen die spektakulären Wendezeiten ereignen und schließlich die Berliner Mauer fällt, befindet sich die Schriftstellerin Hanna Flanders (Hannelore Elsner) in einer heftigen Lebenskrise. Ihre privaten Beziehungen erweisen sich als brüchig, und ihre beruflichen Projekte finden längst nicht mehr den Anklang vergangener Jahre, zumal sie auch angesichts aller politischen Veränderungen beinahe trotzig an ihrem idealistischen Blick auf den Sozialismus der ehemaligen DDR festhält, während nahezu alle Welt den Zusammenbruch dieses repressiven Systems feiert. Hanna beschließt spontan, von München nun nach Berlin zu einem einstigen Freund zu ziehen, dessen Zustimmung sich allerdings recht vage gestaltet hat, wie die tabletten- und nikotinabhängige, vereinsamte Frau jenseits der Fünfzig bald erkennen muss. Damit beginnt für sie eine Odyssee der Orientierungslosigkeit voller Begegnungen mit Fremden und einst wichtigen Menschen in ihrem Leben wie ihrem Sohn Viktor (Lars Rudolph) und ihrem Ex-Mann Bruno (Vadim Glowna), deren Tristesse sie zunehmend stärker in eine schutzlose Ausweglosigkeit treibt, die es ihr kaum noch ermöglicht, den Rest ihrer Würde als Autorin und vor allem als Frau zu wahren. Als sie schließlich erschöpft und gedemütigt zusammenbricht, wird sie in die Klinik eingeliefert, wo sie eine schreckliche Diagnose erwartet ...

Die Unberührbare stellt ein dramaturgisch überaus filigranes, tief berührendes Stück mit starken schwarzweiß Bildern dar, die sich mitunter kleinen traurigen Gemälden gleich in das Bewusstsein des Zuschauers drängen. Hier wird die Verzweiflung und der bei Zeiten aufflackernde Impuls, ihr doch noch zu entfliehen, überwältigend authentisch inszeniert, hier schaut die Kamera gerade dann nicht fort, wenn sich das Grauen des persönlichen Verfalls in unschönen Details manifestiert. Diese bindungsferne Frau, die sich durchaus noch verhalten berühren lässt, die mal durch die Gegend stolziert, um dann wieder zu stolpern, vermag es durch ihre schillernde Vielschichtigkeit und ihre tapferen Bemühungen, nicht gänzlich zu stürzen, den Zuschauer unmittelbar in ihre Abgründe zu involvieren.

Es sind zahlreiche internationale Nominierungen und Auszeichnungen, die Die Unberührbare erhielt, darunter der Deutsche Filmpreis 2000 für Hannelore Elsner als Beste Darstellerin. Wie sehr diese äußerst intensiv verkörperte Rolle auch sie selbst als Darstellerin dieser extremen Figur berührt hat, lässt Hannelore Elsner anlässlich der Verleihung des Deutschen Filmpreises, die unter den Extras der DVD zu sehen ist, mit den Worten erahnen: „Ich umarme alle Menschen, die mir Schmerz zugefügt haben in meinem Leben, dadurch konnte ich diese Rolle spielen. Und ich umarme Oskar Roehler, meinen Regisseur, mit dem ich für immer verbunden sein werde durch diesen Film.“

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/die-unberuhrbare