Zazie

Absurdistan in Paris

Eine Filmkritik von Jean Lüdeke

"Im Mittelpunkt des Films steht ein Kind, das der Verlogenheit und Verdorbenheit der Erwachsenenwelt ausgesetzt ist." (Louis Malle)
Und so widerfährt es der Heldin einer absurden Story: Damit Jeanne Lalochère (Odette Piquet) das Wochenende ungestört mit ihrem neuen Pariser Lover verbringen kann, quartiert sie ihre zwölfjährige Tochter Zazie (Catherine Demongeot) bei dem in der Seine-Metropole lebenden Onkel Gabriel (Philippe Noiret) ein. Die Göre aus der Provinz freut sich tierisch darauf, endlich mit der Metro zu fahren; die aber wird bestreikt. Am Morgen nach der Ankunft in Paris reißt Zazie aus, um die Umgebung auf eigene Faust zu erkunden, aber der Polizist Trouscaillon (Vittorio Caprioli) – der später als Sittenstrolch entlarvt wird – bringt sie zum Onkel zurück. Auch auf weiteren Streifzügen durch Paris mit ihrem Onkel und dem Taxifahrer Charles (Antoine Roblot) erlebt das pubertierende Mädchen die groteske Welt der Erwachsenen in der Metropole wie ein kurioses Kaleidoskop, zumal sie zunehmend schrillen Charakteren wie der nymphomanen Witwe Mouaque (Yvonne Clech) begegnet. Zazie findet heraus, dass ihr Onkel in einer Transvestitenshow an der Place Pigalle als Star auftritt. Und bei seiner sanften Ehefrau Marceline handelt es sich um einen Mann namens Marcel…

"Zeitlupe, Zeitraffer, Wiederholung und Deformierung, Aufhebung von Raum und Zeit, Spiel mit farblichen Verfremdungen und bewusst falsches Synchronisieren sind zugleich intellektuelle Verballhornungen der Konventionen, die den Film zu einem beispielhaften Werk der französischen Nouvelle Vague machen.- Sehenswert" urteilte enthusiastisch das Lexikon des internationalen Films.

Immer wieder sehenswert bleiben die Filme des Regisseurs Louis Malle, (*30. Oktober 1932 - 23. November 1995), eines der bedeutendsten Vertreter der Nouvelle Vague. Malle galt eher als theorieverachtender Außenseiter, weil er lieber als Praktiker und Techniker seine Filme drehte. Charakteristisch für Malles Filme waren Unruhe, Provokation und die zeitliche Distanz zu Themen und Inhalten. Die meisten seiner Filme spielen in der Vergangenheit, ohne dabei auf ein bestimmtes Genre zu achten. Immer widmete sich Malle Themen wie Einsamkeit, Gefangensein, Selbstmord, und den Erfahrungen Jugendlicher mit der Welt der Erwachsenen, so wie es in Zazie beispielhaft zu sehen ist.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/zazie