Louis Malle Edition - Box-Set

Fünf Mal Malle

Eine Filmkritik von Stefan Otto

"Die fünf besten Spielfilme von Regisseur Louis Malle" heißt es auf der Box. Das kann man natürlich nicht unkommentiert stehen lassen. Fahrstuhl zum Schafott, Die Liebenden, Zazie, Das Irrlicht und Eine Komödie im Mai: Sind das wirklich die fünf besten Malles? Bis auf Eine Komödie im Mai, die 1989 gespielt wurde, sind es in erster Linie sehr frühe Malles (angefangen von seinem Debüt 1957 bis zu seinem fünften langen Film von 1963). Man sollte sich auf diese Diskussion erst gar nicht einlassen und über die überflüssige Aufschrift auf dieser sehr schönen Louis-Malle-Edition hinwegsehen.
Fahrstuhl zum Schafott ist ein Krimi als Liebesgeschichte. Malle versetzt den Stil des amerikanischen Film Noir, von dem die späteren Nouvelle-Vague-Regisseure schwärmten, mit französisch existentialistischem Flair. Während Julien (Maurice Ronet) im Fahrstuhl des Gebäudes eingeschlossen ist, in dem er gerade zwei Menschen ermordet hat, streift Florence (Jeanne Moreau) voller Ungewissheit durch Paris, und während beider Leben stagniert, wird es andernorts von einem Halbstarken-Pärchen fortgeführt, das in ihrem Namen einen Mord begeht. Den ganzen Film lang sind die Liebenden getrennt und treten doch in einen imaginären Dialog, begleitet von Miles Davis' legendärem Trompeten-Soundtrack.

In Die Liebenden stiehlt sich Jeanne (Moreau), offenbar aus der Laune eines Moments heraus, aus ihrem Provinz-Alltag als Ehefrau und Mutter davon und gibt sich dem ausschweifenden Leben in Paris und der Affäre mit einem galanten Polospieler hin. Der Film war 1958 ein Skandal, seine deutsche Kinofassung um zwei Szenen gekürzt. Die hier vorliegende DVD enthält diese "skandalösen" Szenen wieder.

In Das Irrlicht irrlichtert Alain (Maurice Ronet) zu den Klängen des Klaviers von Eric Satie durch Paris und steuert doch zielgerichtet auf das Ultimatum "23 Juillet" zu, das er sich auf den großen Spiegel in seinem Zimmer geschrieben hat. Es ist der Tag, an dem der lebensmüde Alkoholiker sich umbringen wird.

Zazie ist ein "ruheloses, kleines Mädchen mit einem frechen Mundwerk, das gegen alles protestiert, was ihm befohlen wird. Sie terrorisiert die Erwachsenen, was sehr komisch ist. Aber sie entdeckt auch eine Welt, die chaotisch ist" (L. Malle). Zazie (Catherine Demongeot) verbringt zwei Tage bei ihrem exzentrischen Onkel (Philippe Noiret) in Paris, während ihre Mutter sich mit einem Liebhaber vergnügt. Die französische Metropole verwandelt sich in ihrer Anwesenheit mittels kindlicher Anarchie und verschiedenster filmischer Tricks gewissermaßen in ein großes, lautes und bonbonbuntes Karussell.

Eine Komödie im Mai ist eine ausgelassen böse Erbschaftskomödie vor dem Hintergrund des revolutionären Jahres 1968. Der gaullistische Staat steht vor dem Zusammenbruch und die Totengräber streiken, als die alte Besitzerin eines Weingutes stirbt und ihr Sohn Milou (Michel Piccoli) die Familie zusammenruft. Eine makabre Komödie, in der Angehörige und Freunde die Wartezeit auf die Beisetzung miteinander verbringen.

Mehrere viertel- bis halbstündige Dokumentationen sowie der Tour-de-France-Kurzfilm Vive le Tour! begleiten die fünf Langfilme in dieser Edition. Freilich hätte man noch mehr herausholen können. Der eine oder andere Audiokommentar des einen oder anderen Mitwirkenden (z. B. von Volker Schlöndorff, der bei Das Irrlicht Regieassistent war) wäre nicht verkehrt gewesen. Aber es sorgt schon so für sehr große Freude, die Filme alle in so bestechender Qualität - digitally remastered - sehen zu können.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/louis-malle-edition-box-set