Baby

Texel and beyond

Frank (Filip Peeters) und Paul (Lars Rudolph) sind vom Schicksal schwer gebeutelt. Während eines gemeinsamen Urlaubs auf der Nordseeinsel Texel sterben ihre beiden Ehefrauen bei einem Autounfall. Seitdem leben die zwei zusammen mit Franks Tochter Lilli (Alice Dwyer) in einer Art eheähnlicher Gemeinschaft. Die beiden verdienen ihre Brötchen in einem Stripteaselokal und begehen nebenbei kleinere Einbrüche, um die Haushaltskasse aufzubessern. Bei einem ihrer Raubzüge kommt es zur Katastrophe: Sie werden von einem Wachmann entdeckt, und es kommt zu einer Rangelei, in deren Verlauf der Frank den Mann mit dessen eigener Waffe erschiesst.
Doch damit nicht genug: Als die mittlerweile fünfzehnjährige Lilli sich in den farbigen Pizzaboten Tommy verknallt, rastet Frank komplett aus und schmeißt den Jungen aus der Wohnung. Die frühreife Lilli rächt sich auf ihre Art und verführt den Wohnungsgenossen und besten Freund Paul. Nur wenig später stellt sie fest, dass sie schwanger ist. Der cholerische Frank ist überzeugt, dass Tommy der Vater sein muss, schießt diesen in Selbstjustiz nieder und findet sich prompt im Knast wieder. Lilli und der tumbe Paul fliehen unterdessen im klapprigen Polski Fiat einer befreundeten Stripperin auf die schicksalshafte Insel Texel, auf der die ganze Geschichte begann.

Philipp Stölzl gelang mit Baby ein bemerkenswerter Debütfilm. Nicht das Stölzl unerfahren wäre, seit Jahren ist er einer der etabliertesten Video-Clip-Filmer der Republik, zu dessen Auftraggebern Showgrößen wie Madonna, Maris Müller-Westernhagen oder Garbage zählen. Doch es gibt auch genug Beispiele, die zeigen, dass der Wechsel auf ein anderes Format böse daneben gehen kann. Doch Stölzl kommt seine Detailleidenschaft und Akribie zu Gute. Seine Bilder sind nicht gelackt, sondern transportieren in geradezu grossartiger Weise die Kommunikationsunfähigkeit seiner vom Schicksal getriebenen Figuren. Dabei spielen sowohl Lars Rudolph und Filip Peeters hervorragend auf und verleihen dem Film noch eine deftige Prise Humor und Selbstironie. Gerade der jähzornige Frank, eigentlich ein veritabler Kotzbrocken von einem Mensch, erhält durch Filip Peeters feinste Charakterzüge, die den Betrachter ständig zwischen Sympathie und Abscheu schwanken lassen. Hinzu kommt noch Alice Dwyers einfühlsames Portrait der Lolita, schwankend zwischen Kind und Frau, gespielter Boshaftigkeit und bösen Spielen.

Sollte man in ferner Zukunft den Anfang des 21. Jahrhunderts als das Zeitalter des "neuen deutschen Films" bezeichnen, wäre Baby sicher ein gutes Beispiel für die Renaissance des deutschen Kinos.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/baby