Die Bettwurst

Gehobene Wortfindungsstörungen

Luzi (Luzi Kryn) und Dietmar (Dietmar Kracht) sind ein Paar, wie es normaler und gleichzeitig schräger nicht sein könnte. Sie ist eine Spätaussiedlerin, die sichtlich stolz ist auf ihr kleinbürgerliches Glück mit Ado-Gardinen (..."die mit der Goldkante"), Nippes und einem Sortiment an Küchenmaschinen und was die moderne Frau sonst noch so braucht. Der arbeitslose Dietmar hatte eine schwere Kindheit, wuchs im Heim auf und geriet auf die schiefe Bahn, doch nun hat er sein Glück gefunden. Auch wenn Dietmar deutlich dem eigenen Geschlecht zugeneigt ist, kann dies die Idylle nicht trüben. Und als Weihnachten schließlich gekommen ist, feiern die beiden Turteltäubchen ihre Verlobung unterm Weihnachtsbaum und Dietmar erhält von seiner Luzi die titelgebende Bettwurst – eine Nackenrolle fürs Bett – als Präsent. Doch die Schatten von Dietmars bewegter Vergangenheit holen das Paar schnell. Luzi wird von einem Ex-Kumpel ihres Verlobten entführt, um Dietmars Rückkehr ins kriminelle Milieu zu erzwingen. Aber dieser denkt nicht im Traum daran, sein mühsam erreichtes Glück so einfach aufzugeben.
Rosa von Praunheims Filme waren schon immer ein wenig anders, doch selten erreichte er die Meisterschaft dieses Films. Zielsicher balanciert von Praunheim auf dem schmalen Grat zwischen Kunst und Kitsch, zwischen Sozialstudie und Schmierenkomödie, was vor allem auch den beiden (Laien-)Darstellern zu verdanken ist. Luzi Kryn – übrigens Rosa von Praunheims Tante – spielt (obwohl: spielt sie wirklich oder ist sie nicht vielmehr sie selbst?) mit schriller Stimme und unglaublichem Pathos eine Frau, die nun endlich ihr spätes Glück gefunden hat. Immer bemüht, sich gewählt und fein auszudrücken, unterläuft ihr eine Stilblüte nach der anderen, eigentlich ein gefundenes Fressen für ganze Heerscharen von Dialogtrainern. Doch die Stärke dieses Filmes liegt eben in seiner Authentizität, denn der Regisseur greift kaum ein, lässt die Darsteller so agieren, wie sie sind – unbeholfen, lebensecht und voller liebenswerter Fehler. Und trotzdem schafft von Praunheim es, seine beide Protagonisten niemals der Lächerlichkeit preiszugeben.

Der eigentliche Star des Films aber ist Dietmar Kracht, ein Berliner Stricher, den von Praunheim aufgelesen hatte und aus dem er einen frühen (Anti-)Star machte, lange bevor Stefan Raab, das Schlager-Revival und der Casting-Wahn Deutschland erfassten. Mit fast übertrieben wirkenden tuntigen Gebärden, deutlicher Dialekteinfärbung und immer auf dem Kriegsfuß mit den Widrigkeiten der deutschen Grammatik ("Luzi, ich liebe Dich, so wie die Luft wo ich atme") hat er sich die Herzen der Zuschauer erobert, so dass es auch heute noch Fanclubs dieses Films gibt, die die Szenen nachstellen.

1973 entstand die Fortsetzung mit dem Titel Die Berliner Bettwurst, die allerdings trotz schriller Dekors und einem Stargast wie Lou van Burg ein Misserfolg wurde. Neben diesen beiden Filmen des Traumpaars Luzi Kryn und Dietmar Kracht enthält die DVD noch ein Luzi Kryn- Special sowie Bio- und Filmographien, Kritiken, Links und Trailer.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/die-bettwurst