Fahr ma obi am Wasser

Mit dem Floß nach München

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

An Sommertagen lässt sich im Süden Münchens ein besonderes Spektakel erleben, das den Freizeitwert dieser Stadt sehr bildhaft demonstriert. Da können Radler und Spaziergänger entlang der Isar immer wieder vernehmen, wie sich auf dem Fluss fidele Blasmusik nähert. Und dann bekommen sie auch schon eines dieser Flöße zu Gesicht, die Ausflügler von Wolfratshausen bis in die bayerische Landeshauptstadt fahren, einfach so zum Spaß und Feiern mit Bier und Gesang. Diese Art der Floßfahrt ist die letzte Reminiszenz einer langen Tradition im bayerischen Oberland, die früher weniger lustig war, aber sehr profitabel für die an der Isar und ihrem Nebenfluss Loisach gelegenen Gemeinden zwischen Mittenwald oder Garmisch und München.
Der Dokumentarfilmer Walter Steffen (Bavaria Vista Club), der eine Vorliebe für Themen mit Bezug zu Oberbayern hat, vertieft sich mit seinem neuen Film Fahr ma obi am Wasser in die Historie der Floßfahrt im Oberland. Dennoch bleibt er auch stark mit dem Hier und Jetzt verbunden, denn wenn die Kamera dem Lauf der beiden Flüsse von ihren Quellen bis nach München folgt, nimmt sie die heutige Landschaft ins Visier. Außer Historikern und anderen Experten kommen auch drei Floßmeister zu Wort, die ihren Beruf noch ausüben. Die historischen, kulturellen, ökonomischen Aspekte des Themas fügen sich in Verbindung mit den Landschaftsaufnahmen zu einem ansprechenden dokumentarischen Heimatfilm. Er wurde ohne Fernseh- und Filmförderung produziert, erhielt aber unter anderem die Unterstützung einer Reihe von Gemeinden, in denen die Flößerei eine wichtige Rolle spielte.

Seit dem Mittelalter diente die Flößerei zum Transport von Waren in Richtung Norden. Auf der Loisach wurde Gips aus Oberau transportiert, auf der Isar Holz für die Bauten der wachsenden Stadt München. Zu den weiteren Waren gehörten Kohle, Kalk, Wein aus Südtirol. Auch venezianische Händler wählten für ihre Güter den Wasserweg ab Mittenwald. Die Flößerei brachte den Gemeinden an Isar und Loisach Wohlstand. Immer wieder begibt sich die Kamera auf eine der hölzernen Plattformen, um ein Stück auf dem Fluss mitzufahren. Sogar ein historisches Floß wurde für den Film nachgebaut und wie anno dazumal mit Waren beladen. Der Lauf der Wasserstraßen wird auch aus der Luft verfolgt, so dass die Dramaturgie ein wenig an die beliebten … von oben-Dokumentarfilme erinnert.

Traditionsreiche Flößerfamilien öffneten für den Film ihre privaten Archive, historische Aufnahmen zeigen, wie gefährlich die Arbeit der Holzknechte in den Bergen war. Denn die dicken Stämme für die Flöße mussten entweder im Winter mit dem Schlitten ins Tal gebracht werden oder vom Berg hinuntergeworfen bzw. in Rutschen zum Wasser transportiert werden. Auch auf der Isar selbst warteten Gefahren, etwa beim Passieren des wegen seiner Stromschnellen gefürchteten Georgensteins. Der Niedergang der Flößerei setzte mit dem Eisenbahnverkehr ein, vor allem aber mit dem Bau des Walchenseekraftwerks in den 1920er Jahren, das der Isar viel Wasser entnahm.

Die Erzählungen von örtlichen Historikern, Fremdenführern und Mitgliedern alteingesessener Familien sind in der Regel lebendig und mit Anekdoten geschmückt. Obwohl es auch zwei Voice-Over-Erzähler gibt, wirkt der Film nicht zu wortlastig. Dafür sorgen die musikalische Begleitung und die Vielfalt visueller Gestaltungsmittel, zu denen auch kleine Animationen gehören, die beispielsweise Lüftlmalerei-Motive an Mittenwalder Hausfassaden zum Leben erwecken. Dieser Film ist nicht nur geschichtlich interessierten Oberbayern zu empfehlen. Denn er führt exemplarisch vor, dass regionale Geschichte viel zu bunt und vielfältig ist, um in Archiven zu verstauben.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/fahr-ma-obi-am-wasser