Madame Aurora und der Duft von Frühling (2017)

Kleine Schmetterlinge im Bauch

Eine Filmkritik von Jelena Čavar

Es gab Phasen in Aurora Plous (Agnès Jaoui) Leben, die sicher einfacher waren als der Abschnitt, in dem sie sich jetzt wiederfindet. Die körperlichen Veränderungen erweisen sich als Vorboten der Wechseljahre, mit denen sie sich herumplagen muss. Beruflich geht es leider bergab. Mit dem neuen Eigentümer des Bistros kommt sie nicht zurecht, sodass sie prompt kündigt. Ihre älteste Tochter Marina (Sarah Suco) erwartet ein Baby, worüber sich die werdende Großmutter überhaupt nicht freuen kann. In Auroras Augen ist Marina für diesen wichtigen Schritt zu jung, aber Marina möchte, dass sich ihre Mutter freut – und so bekommt die eigentlich harmonische Mutter-Tochter-Beziehung einen kleinen Dämpfer.

Seit sie vom Vater ihrer beiden Töchter getrennt ist, sieht es um ihre amourösen Errungenschaften nicht allzu rosig aus. Als sie eines Nachmittags ihre Freundin Mano (Pascale Arbillot) bei einer Hausbesichtigung begleitet, trifft sie ganz unverhofft auf ihre Jugendliebe Totoche (Thibault de Montalembert). Beide fühlen sich mit einem Schlag zurückversetzt in ihre Teenagerzeit. Hinzu kommt, dass die Anziehung zueinander für beide nach wie vor immer spürbar ist. Zwischen der eigenen Jobsuche und den Dates mit Totoche bleibt der aufgeweckten Frau nicht viel Zeit zum Verschnaufen, schließlich muss sie auch für ihre beiden Töchter Marina und Lulu (Lou Roy-Lecollinet) da sein.

Wäre die Protagonistin in Madame Aurora und der Duft von Frühling ein Mann im selben Alter, fiele die Darstellung der Krise zum Lebensmittelpunkt gänzlich anders aus. So ein Film würde definitiv mehr Klischees und Stereotype bedienen. Aurora kauft sich keine Statussymbole, sie begibt sich auf keine Odyssee. Der Film begleitet Aurora einfach nur dabei, wie sie ihren Alltag mit all seinen Facetten meistert. Ein Kind von Traurigkeit ist sie dabei nie, stets blickt sie nach vorne. Auch wenn sie manchmal nicht weiß, wie sie mit Situationen umgehen soll, wirkt sie weder verunsichert noch ängstlich. Es ist eine Freude, ihr dabei zuzusehen, wie sie die mehr oder weniger geläufigen Alltagssituationen meistert. Sie findet sich im Arbeitsamt, in Kursen oder bei der Jobsuche wieder. Das Komische entfaltet sich in den alltäglichen, manchmal etwas absurden Momenten.

Der Regisseurin Blandine Lenoir war in Madame Aurora und der Duft von Frühling eben dieser komödiantischer Zugang zum Älterwerden und den damit verbundenen Herausforderungen wichtig. Vielen Wendungen ihrer eigenen Story kann Aurora nicht immer mit Gelassenheit gegenüberstehen, nichtsdestotrotz bemüht sich der Film darum, amüsant und unterhaltsam zu sein. Manchmal ist dieses Bemühen etwas forciert, gerade deswegen ist der Humor oft etwas eigenwillig. Doch eigentlich stört das überhaupt nicht. Agnès Jaoui spielt eine sympathische, manchmal etwas konfuse, aber fast immer nachvollziehbare Figur, der man sehr gerne dabei zusieht, wie sie ihr Leben meistert. Sie hat die Bedürfnisse ihrer Familie jahrelang vor die eigenen geschoben. Jetzt kommt sie drauf, dass sie über sich selbst verfügen kann. Manchmal wirkt sie damit etwas überfordert, manchmal macht ihr das Wie zu schaffen, dem der Film dementsprechend viel Platz einräumt. 

Auroras Figur erhebt keinen Anspruch darauf, sich in vielen Frauen mit ähnlicher Demografie wiederzufinden. Doch tatsächlich stellt der Film genug Identifikationspotential zur Verfügung. Madame Aurora und der Duft von Frühling ist zwar nicht frei von rührseligen Momenten – vor allem der romantische Showdown am Ende könnte einem Hollywood-Film entsprungen sein –, aber der Kitsch kommt in geringen und verträglichen Dosen. Im deutschen Verleihtitel hat Aurore diesen unnötigen Zusatz angehängt bekommen, der auf eine locker-flockige französische Liebeskomödie hindeutet. Auf die aufgewärmte love story hätte der Film aber genauso gut verzichten können. Es geht hier schlicht und ergreifend um Aurora, in ihrer sehr direkten und unverblümten Art. Und im Gegensatz zu Aurora ist der Film manchmal ein bisschen blumig. Aber eigentlich haben die beiden viel gemeinsam.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/aurore