Aus Liebe zum Volk

Eine Dekonstruktion des Spitzelapparats

Da schwappt nun doch seit einiger Zeit eine Ostalgie-Welle durch die deutschen Kinos. Sonnenallee und Good-Bye Lenin! haben den Staat hinter der Mauer fast schon populär gemacht und Spreewald-Gurken bekannter als das gute Kaba. Dass in der guten alten DDR nicht alles so wunderbar harmlos und auch nicht nur ein bisschen miefig war, zeigen Eyal Sivan und Audrey Maurion in ihrem Dokumentarfilm Aus Liebe zum Volk.

Im Februar 1990 sitzt Major S. in seinem Büro im Ministerium für Staatssicherheit. Die Stasi steht kurz vor der Auflösung. Akribisch zeichnet der Beamte in einem letzten Dokument die 20 Jahre auf, die er im Herzen des Spitzelapparates gearbeitet hat – aus fester Überzeugung und im Glauben an den Sozialismus – eben aus Liebe zum Volk. Das filmische Dokument bildet den Ausgangspunkt für eine Reise durch die finsteren Seiten der ehemaligen DDR.

Mehrere Jahre haben die Filmemacher in den Archiven der Gauck-Behörde und in privaten und öffentlichen Archiven Material gesichtet, Schulungsfilme der Stasi, Aufnahmen von Verhören, Bilder von Überwachungskameras. Viele noch nie gesehene, frische und unverbrauchte Bilder brachte diese Arbeit ans Tageslicht. Gekonnt wurden die Bilder montiert und liefern einen erschreckenden Blick auf einen Beamtenapparat, der fest glaubte durch Allgegenwärtigkeit und lückenlose Überwachung die DDR vor jeglicher Gefahr bewahren zu können. Mit jedem Bild führt der Film dem Zuschauer die wahre Hilflosigkeit des Staats vor Augen. Major S. und seine Kollegen entwürdigen sich selbst und verweigern jegliche Erkenntnis aus Selbstverzicht. Ihr Wahn von der absoluten Kontrolle entstammt nicht, wie man gerne meinen möchte, einem krankhaften Trieb, sondern genau aus dem kleinbürgerlichen Milieu, dass in der DDR gehegt und gepflegt wurde. Und da beginnt auch die erschreckende Analogie. Denn wird nicht grade heute wieder, angesichts vermeintlicher oder realer Bedrohung die Erweiterung aller erdenklicher Überwachungsmaßnahmen propagiert, am Stammtisch und im Bundestag?

Aus Liebe zum Volk ist die schonungslose Analyse eines Regimes, das heute im medialen Dauerfeuer der Trends und in Folge eines zunehmend verschwindenden Geschichtsbewusstseins oftmals Gefahr läuft, verharmlost, banalisiert und verklärt zu werden - bis vom SED-Staat nichts weiter übrig bleibt als die Erinnerung an Spreewaldgurken und Ost-Ampelmännchen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/aus-liebe-zum-volk