Omulaule heißt schwarz

Für die Weißen sind wir schwarz, für die Schwarzen sind wir deutsch.

Ein ganz und gar ungewöhnlicher Film war auf der diesjährigen Leipziger Filmmesse zu sehen, der ab Ende September in wenigen ausgesuchten Kinos zu sehen sein wird – Omulaule heißt schwarz von Beatrice Möller, Nicola Hens und Susanne Radelhof. Die drei Regisseurinnen studieren allesamt an der Bauhaus-Universität Weimar visuelle Kommunikation, Mediengestaltung und Medienkultur und haben im Rahmen ihres Studiums eine außergewöhnliche Dokumentation angefertigt, die ein Stück DDR-Alltagsgeschichte mit afrikanischem Hintergrund beleuchtet.

Am 18. Dezember 1979 kamen 80 namibische Kinder in der damaligen DDR an, von denen die ältesten zwischen sechs und sieben und die jüngsten zwischen drei und vier Jahre alt waren. Ihre Heimat, die seit Jahren von einem heftigen Krieg zwischen der Rebellen der SWAPO und den südafrikanischen Besatzern erschüttert wurde, war unruhig, zahlreiche Menschen lebten in Flüchtlingslagern unter verheerenden Bedingungen, so dass sich das ZK der SED im September 1979 dazu entschloss, Flüchtlingskinder auf Namibia – dem ehemaligen „Deutsch-Südwestafrika“ – aufzunehmen. Neben medizinischer und alltäglichen Versorgung war die Vermittlung erster Deutschkenntnisse eine zentrale Aufgabe, um die Kinder auf ihren Schulbesuch vorzubereiten, die in unterschiedlichen schulen untergebracht wurden. Die später als „79er“ bekannte Gruppe der ersten Ankömmlinge verbrachten elfeinhalb Jahre, also ihre gesamte Kindheit, in der DDR. Sie gingen zur Schule, lernten deutsch wie ihre Muttersprache, sangen deutsche Weihnachtslieder und wuchsen praktisch deutsch auf. Deutsche wie namibische Erzieherinnen versuchten den Kindern so weit wie möglich ihre namibische Kultur mittels traditioneller Tänze und Lieder auf Oshivambo sowie traditionellen Kochveranstaltungen näher zu bringen. Trotzdem blieb ihnen ihre eigene Kultur jahrelang fremd.

Wenige Monate nach dem Fall der Berliner Mauer im November 1989 erlangte Namibia seine lang erkämpfte Unabhängigkeit. Die sich überstürzenden Ereignisse in der DDR führten kaum neun Monate später dazu, dass die namibischen Kinder und Jugendlichen sowie ihre Erzieherinnen sehr kurzfristig – wie manche Leute meinen, sogar überstürzt – die DDR verlassen mussten. Zwischen dem 26. und 31. August 1990 fand die Rückkehr der Kinder statt. Als Heimkehrer landeten sie in einem ihnen fremden und unbekannten Land – und erlebten einen gleich doppelten Kulturschock: Während diese Jugendlichen für die Schwarzen, oft für die eigene Familie, Fremde – „Deutsche“ waren, betrachteten die Deutschstämmigen in Namibia sie zwar als „überraschend deutsch“, aber eben doch als schwarz.

Die Filmemacherinnen haben sich in Namibia auf die Spurensuche der „schwarzen DDR-Bürger“ gemacht und dabei Erstaunliches zutage gefördert. Sie gehen der Frage nach, inwieweit bei diesen Personen eine Benennung der eigenen kulturellen Identität erfolgt und auf welche Weise scheinbar gegensätzliche Kulturen wie die Deutsche und Namibische in ihnen koexistieren. Zugleich wollten sie ein Forum schaffen, um die oftmals pauschalisierenden und einseitigen Medienberichte über die „Ex-DDR-Kinder“ zu widerlegen und die Betroffenen selbst zur Sprache kommen zu lassen. Ein Vorhaben, das auf ungewöhnliche Weise durch und durch geglückt ist. Ein sehenswertes Stück Vergangenheitsbewältigung, das hoffentlich in recht vielen Kinos zu sehen sein wird.

Der Film ist ab 30.9 in der Schaubühne Lindenfels in Leipzig zu sehen, weitere Vorführungen finden anlässlich der 5. Afrikanischen Filmtagen in Dresden vom 3. bis 10. November sowie am 16. 11 im Kino Lux in Halle um 20:15 und während der Schul-Film-Woche Sachsen-Anhalt zwischen dem 15. und dem 19.11. 2004 in Magdeburg und Halle statt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/omulaule-heisst-schwarz