Weltmarktführer - Die Geschichte des Tan Siekmann (2004)

New Economy – war da was?

New Economy, was war das nochmal gleich? Ach ja, vor ein paar Jahren schickten sich ein paar junge oder jung gebliebene Manager an, den etablierten Großkonzernen die Stirn zu bieten und die Ökonomie von Grund auf zu revolutionieren. Für eine kurze Zeitspanne schien alles möglich zu sein, anscheinend jede noch so abstruse Idee wurde mit Risikokapital abgesichert, und der Gang an die Börse beziehungsweise den 1997 eingerichteten Neuen Markt war so einfach wie ein Betriebsausflug. Der allgemeinen Euphorie und dem begleitenden Medienhype, der ganz Deutschland in ein Heer von Börsenexperten verwandelte, folgte der jähe Absturz. Geschönte Bilanzzahlen, Phantasie-Aufträge, hanebüchene Geschäftsmodelle und spektakuläre Insolvenzen verwandelten die strahlenden Helden der Wirtschaft in die Buhmänner der Nation. Willkommen zurück in der Wirklichkeit, die übrigens auch manche Anleger kalt erwischte.

Was ist aus den Machern von damals geworden, das ist die Frage, mit der sich der Dokumentarfilmer Klaus Stern in seinem Film Weltmarktführer - Die Geschichte des Tan Siekmann auseinandersetzt. Der einstige Vorstandsvorsitzende der Biodata AG, die sich mit Datenverschlüsselung beschäftigte, galt früher als deutsches Pendant zu Bill Gates, wie viele seiner Kollegen auch. Umworben und hofiert von Politikern und Journalisten wuchs der Wert des Unternehmens rasant in die Höhe – freilich nur auf dem Papier. Plötzlich war die Biodata AG an der Börse 2 Milliarden Euro wert – und das bei einem Umsatz von gerade mal 8 Millionen Euro. Allerdings verlor Siekmann dann irgendwann den Überblick, viel zu rasant und undurchsichtig war das Wachstum, das die Firma hinlegte. Eine Entwicklung, die zu teils recht merkwürdigen Personalentscheidungen führte, wie der einstige Börsenstar bekennt: \"Wer nicht bei fünf aus dem Raum war, saß plötzlich im Vorstand.\" Als der Börsenkurs dann massiv abrauschte – und zwar nach unten, war der Untergang der Biodata AG nicht mehr aufzuhalten, im November 2001 musste das Unternehmen Konkurs anmelden.

In einem Interview bekannte Regisseur Klaus Stern, vorzugsweise Filme über Menschen mit einer Hybris zu machen – ein Prinzip, das auch in diesem Fall voll gelungen ist. Es ist schon beängstigend zu beobachten, wie wenig manche Menschen aus den (eigenen) Fehler gelernt haben und wie sehr sie dazu neigen, andere für die eigenen Misserfolge verantwortlich zu machen. So auch bei Tan Siekmann, der hinter der Pleite seines Unternehmens üble Machenschaften von außerhalb vermutet. Trotzdem verurteilt Stern nicht, und genau das macht die Stärke seines Porträts aus. Eigentlich ein Lehrfilm für jeden geschröpften Anleger und viele Investmentbanker, die die Stimmungen damals anheizten.

Immerhin hatte Siekmann, einstmals einer der 70 reichsten Männer Deutschlands, einen Teil seines Unternehmens zurückgekauft und als Biodata Systems GmbH neu an den Start gebracht, alles auf Anfang. Doch auch hier warteten die Mitarbeiter monatelang auf ihre Gehälter, und am 21. September 2004 gingen auch hier die Lichter aus - history repeating itself. Dem Firmeninhaber haben zwei spektakuläre Crashs allerdings wenig geschadet, auch wenn er sich heute bescheiden gibt und sich mit einem Porsche Boxster begnügt. Der Verleih plant übrigens, Besitzern von Biodata-Aktien gegen Vorlage eines Depotauszugs freien Eintritt zu gewähren. Sie haben offensichtlich schon genug gelitten.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/weltmarktfuhrer-die-geschichte-des-tan-siekmann