Silentium

Das Schweigen des Brenner

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

„Jetzt ist schon wieder was passiert...“ Mit diesen Worten beginnt jeder der Krimis von Wolf Haas, und man muss schon bei diesen ersten Worten schmunzeln. Denn in ihnen steckt bereits die ganze Welt des Ex-Bullen, Verzeihung, Ex-Kriminaler Simon Brenner, der sich von Kopfweh geplagt und frühpensioniert als Privatdetektiv durchs Leben schlägt. Stets stolpert der an sich selbst und an der Welt leidende Brenner – könnte eine Figur den Glanz und das Elend Österreichs treffender auf den Punkt bringen? – in einen Fall, nur weil er gerade zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort ist und löst diesen auf gänzlich unkonventionelle Weise. So auch in Silentium, der nach Komm, süßer Tod zweiten Verfilmung eines Romans von Wolf Haas.

Nachdem beim Vorgänger Wien der Schauplatz des Geschehens war, wird nun bei Silentium das beschauliche Salzburg zum Tatort. Ausgerechnet der Schwiegersohn des Präsidenten der Festspiele (Udo Samel) ist aus dem Leben geschieden, doch wie es den Anschein hat, geschah dies freiwillig. Die trauernde Witwe (Maria Köstlinger) glaubt allerdings nicht so recht an den Freitod des Gatten und beauftragt Simon Brenner (Josef Hader), Nachforschungen anzustellen – mit reichlich Augengeklimper, versteht sich. Denn der aus dem Leben Geschiedene hatte kurz zuvor noch Missbrauchsvorwürfe gegen den jetzigen Erzbischof, seinen ehemaligen Erzieher im altehrwürdigen Knabenkonvikt der Stadt erhoben. Schnell allerdings wird klar, dass auch der Festspielpräsident Dreck am Stecken hat und in dunkle Machenschaften verstrickt war. Welche Rolle spielt der Festspielleiter selbst im Gestrüpp der Machenschaften und Intrigen? Und ist der Sportpräfekt des Knabenkonvikts (Joachim Król) doch vielleicht nicht so ahnungslos, wie er tut? Brenner und sein Freund Berti (Simon Schwarz) geraten auf jeden Fall alsbald selbst in Mordverdacht und müssen alle Tricks aus der Tasche ziehen, um sich selbst zu entlasten und den Fall zu lösen.

So abstrus die Handlung auch klingen mag, die Geschehnisse sind längst von der (österreichischen) Wirklichkeit eingeholt worden, wenn man an den Skandal um die Vorkommnisse im St. Pöltener Priesterseminar denkt. Der Blick hinter die Kulissen des Knabenkonvikts gerät so – satirisch überzeichnet freilich – ebenso zur treffenden Studie eines exklusiven Mikrokosmos wie die Erkundungen Brenners im Milieu der Festspiele. So hat etwa das Enfant Terrible der deutschen Theater- und Opernszene, Christoph Schlingensief einen bemerkenswert selbstironischen Auftritt als Festspielregisseur und Jürgen Tarrach gibt die durchgeknallte männliche Operndiva mit Witz, Verve und massenhaft Exzentrik. Auch die Figur des Brenner selbst hat sich gegenüber Komm, süßer Tod erheblich weiterentwickelt, noch gequälter der Blick, noch tiefer die seelische Not und noch schwärzer der Humor, mit dem er allen Widrigkeiten des Lebens als Privatermittler trotzt. Überhaupt legen Regisseur Wolfgang Murnberger, Autor Wolf Haas und Hauptdarsteller Josef Hader gegenüber ihrem ersten Werk noch einmal deutlich eine Schippe drauf und zeichnen ein ebenso treffendes wie verqueres Österreich-Bild jenseits aller Walzer-Seeligkeit und Jägertee-Romantik. Ziemlich genial ist auch die Filmmusik der Sofa Surfers, die dem schluffig-kauzigen Brenner den genau passenden musikalischen Background zwischen Kopfschmerz, Joint-Phantasien und schräg-lässiger Zickigkeit geben. Schräg, wild, bizarr und grandios und ein weiterer Beweis für die ketzerische Hypothese, dass die besseren und wagemutigeren deutschen Filme seit Jahren aus Österreich kommen.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/silentium