Code 46

Winterbottoms zweiter Streich

Kaum ist Michael Winterbottoms skandalumwitterter Film 9 Songs in Deutschland angelaufen, startet bald darauf schon der nächste Streich des britischen Ausnahmeregisseurs – Code 46, eine düstere Science-Fiction-Romanze mit philosophischem Touch.

In nicht allzu ferner Zukunft ist Klonen zum Normalfall geworden und sogar bindend vorgeschrieben, um die „Zucht“ von gesunden Kindern zu fördern. Deshalb sind Schwangerschaften nur nach einer eingehenden Untersuchung der beiden Partner erlaubt; weist der Genpool einen zu hohen Grad an Übereinstimmung auf, ist die Schwangerschaft illegal, ein Verstoß gegen eben jenen Titel gebenden Code 46. In der rigiden Gesellschaft, deren Bild Winterbottom zeichnet, sind Reisen in die Zentren – also die Großstädte – nur noch mit einem Visum mit kodierter DNA – „papelle“ genannt - möglich. Wer nicht über ein solches Visum verfügt, ist dazu verdammt, in den Wüsten außerhalb zu leben, eine Kaste von Parias, ohne Rechte und ohne Hoffnung.

In dieser gesellschaftlichen Tristesse arbeitet William Geld (Tim Robbins) als Versicherungsagent für die bestehende Ordnung und verfolgt unerbittlich Visumsfälscher. Das Geld ist gut in seinem Job, denn ein Empathie-Virus sorgt dafür, dass er sich in die Gedankenwelt anderer hineinversetzen kann. Klar, dass er mit diesen Fähigkeiten auch in seinem aktuellen Fall in Shanghai schnell erfolgreich sein wird und die Täterin Maria Gonzales (Samantha Morton) überführen kann. Doch unglücklicherweise verliebt sich William in die Frau und die beiden verbringen eine Nacht miteinander. Doch die Liebe zwischen William und Maria ist gesellschaftlich geächtet, denn Maria ist eine genetische Kopie von Williams Mutter und damit bedeutet die Beziehung der beiden miteinander einen Verstoß gegen Code 46. Die Mechanismen des Systems beginnen zu mahlen.

Code 46 widmet sich vor dem Hintergrund der Möglichkeiten des Klonens und der aktuellen Forderungen nach einer Gen-Datenbank einer spannenden und brisanten Fragestellung, derer sich schon andere Filme wie beispielsweise der äußerst sehenswerter Gattaca annahmen: Öffnet das Legalisieren des Klones und die Fokussierung auf die DNA eines Menschen nicht faschistoiden Tendenzen Tür und Tor, die eine rigide Auswahl betreiben und unter dem Deckmantel der „Volksgesundheit“ eine klare Trennlinie ziehen zwischen dem erwünschten und dem minderwertigen Menschen? Allerdings läuft vieles eine gründlichen Aufarbeitung dieser Thematik entgegen. So zum Beispiel die ödipale Andeutung, dass William mit einer Frau schläft, die genetisch an seine Mutter erinnert. Das wirkt – mit Verlaub gesagt wie verquaster intellektueller Nonsense, ein langweiliger alter Taschenspielertrick, der keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlockt. Überhaupt hätte man sich an vielen Punkten der Story eine klarere Entscheidung gewünscht, ob es hier nun eigentlich um eine unmögliche Liebe oder die Demaskierung einer absolutistischen Gesellschaft gehen soll. Beide Erzählstränge werden zwar filmisch in gewohnter Meisterschaft umgesetzt, doch das Ganze wirkt wie eine Versuchsanordnung und berührt weder auf der einen noch auf der anderen Ebene. Alles wirkt merkwürdig steril und unverbunden, trotz aller Kälte der dargestellten Gesellschaft hätte man sich doch ein wenig mehr Herzblut gewünscht. Schade um die Fragestellung und um die teilweise brillianten Einfälle Winterbottoms.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/code-46