Thumbsucker - Berlinale Wettbewerb 2005

Von den Schwierigkeiten, erwachsen zu werden.

Wenn ein Junge mit 17 Jahren noch am Daumen lutscht wie ein Kleinkind, dann ist das nicht nur ungewöhnlich, sondern unter Umständen auch ein Hinweis darauf, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Eine Erkenntnis, auf die auch Justin Cobbs Eltern (Tilda Swinton und Vincent D'Onofrio) stoßen, denn ihr Sohn (Lou Pucci) ist laut Aussage des Kieferorthopäden und Hobbypsychologen Dr. Perry Lyman (Keanu Reeves) der „King Kong der oralen Obsessionen“. Der Doktor fühlt sich berufen, dem Jungen zu helfen, doch die Hypnose fördert alsbald zutage, was sich hinter dem Daumenlutschen versteckt – die Angst, von Vater und Mutter verlassen zu werden. Doch anders als in der „Talking cure“ der Psychoanalyse verschwinden die Ängste Justins nicht dadurch, dass sie ausgesprochen werden, sondern sie bauen sich mehr und mehr auf, so dass Lyman schließlich auf Ritalin umsteigt und Justin später die Ängste mit Marihuana und Sex zu vertreiben sucht. Und auch seine Eltern haben sich mächtig mit den Macken und Neurosen einer ganz normalen amerikanischen Durchschnittsfamilie herumzuplagen.

Im authentischen Look der Siebziger erzählt Regisseur Mike Mills in Thumbsucker von den kleinen und großen Sorgen und Nöten einer „all american family“. Das ist nett anzusehen und gefällig, bleibt aber weitgehend an der Oberfläche und weiß als Erklärungsmoment für die kleinen und großen Marotten nicht viel Neues oder Tiefschürfendes anzubieten. Erwähnenswert ist vor allem der Score, der mit Interpreten wie The Polyphonic Spree und dem leider im letzten Jahr verstorbenen Elliott Smith sowie dem Sound-Design von Brian Reitzell, der bereits bei Sofia Coppolas Lost in Translation für die gelungene Musikuntermalung verantwortlich zeichnete. Ein leichtfüßig unterhaltender American Indie.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/thumbsucker-berlinale-wettbewerb-2005