Villa Henriette

Ein Haus mit der Stimme von Nina Hagen

Christine Nöstlingers Kinder- und Jugendbücher zählen wohl zum Feinsten, was es an Lesestoff für die jugendliche Zielgruppe gibt. Sie haben Charme und Witz, sind ganz nah dran am Leben und den kleinen und großen Sorgen der Kids und zudem verdammt gut geschrieben. Eigentlich mehr als verwunderlich, dass bislang kaum eine ihrer Geschichten den Weg auf die große Kinoleinwand fand. Mit Villa Henriette ändert sich das nun, und dass der Regisseur Peter Payer (Untersuchung an Mädeln, Ravioli) sich des Stoffes um ein sprechendes Haus und seine skurrilen Bewohner angenommen hat, garantiert schon beinahe einen sehr schrägen und formal gewagten Kinderfilm, bei dem sich aber auch Erwachsene bestens amüsieren dürften.

Die zwölfjährige Marie (Hannah Tiefengraber) lebt in einem recht eigenwilligen Haus im Bauhaus-Stil (für Kunstbanausen: damit ist nicht die Baumarkt-Kette gemeint!), das trotz allen Charmes aus dem letzten Loch pfeift. Es stehen dringende Reparaturen an, doch natürlich fehlt es am nötigen Kleingeld. Für Marie hat das Haus allerdings einige unbestreitbare Vorteile, denn es spricht ebenso zu ihr (mit der Stimme von Nina Hagen) wie der Kühlschrank und der neurotische Mülleimer, der von sich glaubt, er sei ein Autobus. Das alles nimmt allerdings nur Marie wahr. Die erwachsenen Mitglieder der Großfamilie sind allerdings nicht weniger skurril: Maries Vater (Lars Rudolph) ist Archäologie und interessiert sich nur für Mumien, ihre Mutter (Nina Petri) düst als Stewardess um die Welt, die überspannte Tante Olli (Michou Friesz) raucht Zigarre und dichtet, was das Zeug hält, während Onkel Albert (Branko Samarovski) nur Augen für seine Pflanzen hat und ihre Großmutter (Cornelia Froboess) sich als verrückte Erfinderin ungemein praktischer Dinge versucht.

So könnte es ewig weitergehen, doch dummerweise hat die Großmutter ihre Ersparnisse einem Gauner anvertraut. Und die Bank schickt sich an, das Grundstück per Zwangsversteigerung an dem Mann zu bringen. Während alle Erwachsenen um sie herum sich in das anscheinend unabwendbare Schicksal fügen, nimmt Marie den Kampf auf, unterstützt von den beiden Nachbarsjungen Konrad (Richard Skala) und Stefan (Elias Pressler). Und natürlich beteiligt sich auch das vom Abriss bedrohte Haus höchst selbst an der bevorstehenden Rettungsaktion.

Dass Peter Payer ein Händchen für den ganz normalen, dem gemeinen Österreichern quasi innewohnenden Wahnsinn (oder warum glauben Sie, ist die Psychoanalyse ausgerechnet in Österreich entstanden?) hat, hat er bereits hinreichend mit Ravioli und anderen Filmen bewiesen, die in ihrer Mischung aus galligem und natürlich schwarzem Humor und filmischer Courage so mancher deutschen Komödie das Staunen bzw. das Fürchten lehren könnten. Dass er nun ausgerechnet den Kinderfilm einer Radikalkur unterzieht, ist umso erfreulicher, da zu befürchten war, dass nach den Erfolgen von Harry Potter & Co. das Genre zwischen Fantasy-Gequietsche und politisch-korrektem Betroffenheitskino vor sich hindümpeln würde. So aber ist Villa Henriette ein überaus witziger, mitreißender und intelligenter Film für Kleine und Große, der einfach Spaß macht.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/villa-henriette