Modigliani

Legenden aus dem Leben der Bohème

Unter den Künstlern, die in den wilden Zwanzigern Paris bevölkerten, ist Amedeo Modigliani (geboren am 12. Juli 1884 in Livorno) mit Sicherheit einer der bekanntesten, zumindest was seinen selbstzerstörerischen Lebensstil anbelangt. Leider geraten ob dieser Intensität an Leben und Leiden Modiglianis kraftvolle und irritierende Bilder oftmals in den Hintergrund. Trotz seiner Tuberkulose-Erkrankung (oder vielleicht gerade deswegen) soff und kokste sich das Genie mit dem ausgeprägten Hang zu Bordellen und Cafés durch sein ärmliches Leben, als gäbe es kein Morgen mehr. Zu seinen Freunden gehörten Diego Rivera und Frida Kahlo, Auguste Renoir, Jean Cocteau, Gertrude Stein und Pablo Picasso. Vor allem mit letzterem verband ihn eine enge Freundschaft und leidenschaftliche Rivalität. So wird etwa seit Jahren berichtet, Picasso habe noch auf dem Sterbebett Modiglianis Namen gemurmelt. Auch privat verlief Modiglianis Leben in etwa so, wie man sich das von einem richtigen Pariser Künstler vorstellt. Bittere Armut, die dazu führte, dass der Maler und seine Geliebte, die aus gutem Hause stammende Jeanne Hébuterne das gemeinsame Kind weggeben musste, ist das beherrschende Thema in Modigilanis kurzem schnellen Leben.

Zwischen dem künstlerischen Erfolg und den Entbehrungen und selbstdestruktiven Tendenzen ist auch Mike Davis Biopic Modigliani über den jüdisch-italienischen Maler (dargestellt von Andy Garcia) angesiedelt, doch mit der historischen Wahrheit nimmt es der Regisseur nicht allzu ernst. Da wird flugs ein alles entscheidender Wettbewerb zwischen Picasso und Modigliani hinzugelogen, an dem das verkommene Genie nur aus der nackten Not heraus teilnimmt. Ebenso offensichtlich erfunden ist die Geschichte um das Ende des Malers, der laut dem Film nach dem Gewinn des Wettbewerbs von zwei düsteren Gestalten zusammengeschlagen worden sein soll. Diesen Verletzungen, so weiter, sei er erlegen. Die Wahrheit war hier wohl offensichtlich nicht filmreif genug, denn in Wirklichkeit starb Modigliani am 22. Januar 1920 an den Folgen seiner Tuberkulose-Erkrankung. Wahr hingegen ist wiederum, dass Jeanne Hébuterne (Elsa Zylberstein) ihrem Geliebten einen Tag später in den Tod folgte, sie beging, im achten Monat schwanger, Selbstmord.

Ohne Zweifel hat der Film Modigliani seine Qualitäten. So etwa, wenn er versucht, die Porträts des Malers in Filmbilder zu übersetzen, wenngleich man dies anderswo schon besser gesehen hat. Doch immerhin ist hier der ernsthafte Versuch zu spüren, sich Leben und Werk des Genies einigermaßen adäquat anzunähern, was man ja von den biographischen Details nicht gerade behaupten kann. Sonst allerdings wirkt vor allem die Performance der beiden Hauptakteure Andy Garcia und Elsa Zylberstein teilweise dermaßen übertrieben, dass man sich eher in einer Satire über das Leben der Bohème als in einem ernsthaften Biopic glaubt. „Seine Legende ist so schwarz“, schrieb dereinst Le Figaro, „dass sie lange den Blick auf das Werk des Künstlers verstellte.“ Im Falle der Verfilmung seines Lebens verstellt die Legende sogar den Blick auf Modiglianis wahres Leben. Und das ist ein echtes Ärgernis.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/modigliani