11:14

20 Minuten, die alles verändern

Eine Filmkritik von Gesine Grassel

Alles beginnt auf einer dunklen Straße in Kalifornien. Jack Levine (Henry Thomas) ist auf dem Weg nach Hause und steuert seinen Wagen über die menschenleeren und schlecht beleuchteten Autobahnen. Er ist entspannt, lauscht den Ramones im Radio und lässt sich von den paar Bieren, die er getrunken hat, nicht aus der Ruhe bringen. Als Jack unter einer Brücke hindurchgleitet, knallt ein Menschenkörper mit einen dumpfen Knall auf seine Windschutzscheibe. Panisch stoppt er das Auto, um nach dem Opfer zu sehen. Dieses liegt völlig verkrümmt und ohne Gesicht auf dem Beton. Wie soll Jack diesen Unfall der Polizei erklären? Neben seinem Alkoholpegel würde auch der fehlende Führerschein, den Jack drei Monate zuvor wegen Trunkenheit am Steuer abgeben musste, die Cops stutzig machen. Kurzerhand verpackt er die Leiche in einer Decke und verstaut sie im Kofferraum, als neben ihm ein Auto hält. Die Frau ist eine Anwohnerin und vermutet einen Wildunfall. Obwohl Jack sie davon abbringen möchte, ruft sie die Polizei. Dem eintreffenden Polizisten, Officer Hannagan (Clark Gregg), kommt die Situation schnell komisch vor. Er durchsucht den Kofferraum, findet die Leiche und will den schon in provisorischen Handschellen gestellten Jack abführen. Dabei kann sich dieser befreien und flüchtet in den angrenzenden Wald.
Mit dieser Initialgeschichte startet 11:14, das Spielfilmdebüt von Regisseur und Drehbuchschreiber Greg Marcks. Ein Dutzend Personen tummeln sich in dieser Nacht auf den dunklen Straßen der kalifornischen Kleinstadt. Sie erleben die gleichen 20 Minuten, die für alle Beteiligten schicksalhaft, aber durchaus unterschiedlich verlaufen. Zwanzig Minuten, die Leben und Beziehungen verändern. Ein Film über die Grenzen zwischen Tätern und Opfern, die in dieser Nacht schnell verwischen.

Cheri (Rachel Leigh Cook) ist ein moderner Teenager mit antiquierten Eltern (Patrick Swayze und Barbara Hershey). Um an Geld zu kommen und mit ihrem Freund Jack durchzubrennen, knöpft sie zwei weiteren Liebhabern Geld für eine Abtreibung ab. Die Freunde Eddi (Ben Foster), Mark (Colin Hanks) und Tim (Stark Sands) sind auf nächtlicher Spritztour unterwegs, werfen halb gegessene Burger und brennende Bücher auf die Straße und entgegenkommende Autos. Auf einmal steht ein Mädchen mitten auf der Straße. Die Tankstellenverkäuferin Buzzy (Hilary Swank) bekommt Besuch von ihrem Kollegen und Kumpel Duffy (Shwan Hatosy). Dieser braucht dringend Geld und bittet sie um Hilfe. Ein vorgetäuschter Überfall soll alle Probleme beseitigen. Doch Buzzy zögert.

11:14 ist ein geschickt konstruierter und gut durchdachter Thriller mit Überraschungen. Marcks entwickelt die Geschichte rückwärts, erinnert mit seiner Montage an Filme wie Memento oder Irreversibel. Durch den spärlichen Einsatz von Licht bekommt der Film eine ganz eigene Note – geheimnisvoll, mystisch und trotzdem real. In fünf zunächst getrennten Episoden führt er die Charaktere in die Handlung ein und folgt dem Trend der Ensemble- und Episodenfilme. Der Zuschauer wägt sich lange Zeit in Sicherheit; mit jeder weiteren Geschichte passen die Puzzleteile des schwarzen Humors perfekter zusammen. Dass Marcks dabei manchmal ein bisschen zuviel des Guten auf die Leinwand bringen möchte, tut dem Seheindruck keinen Abbruch. Ungewöhnlich ist die Perspektive, denn erst aus der Reihe der einzelnen Erlebnisse und Eindrücke setzt sich das Gesamtwerk zusammen. Eine mutige Arbeit, die von großem Potential und Ideenreichtum zeugt und Lust macht auf mehr.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/1114