Durchfahrtsland

Ethnologische Beobachtungen aus der Provinz

„Der Weg zu Lande von Bonn nach Köln - unerachtet der schönen Chaussee auf welcher man ihn in weniger als vier Stunden zurücklegt - ist unbeschreiblich öde und langweilig“, so beschreibt Johanna Schopenhauer im Jahr 1828 eine Reise durch die Gegend, deren Namen eher an das alpine Vorland denken lässt als an eine Region am Rhein. Vorgebirge nennt sich die Landschaft zwischen Köln und Bonn, ein Höhenzug, der sich an die Kölner Bucht anschließt, halb urban und halb ländlich geprägt. Es ist eine der Gegenden, durch die man – wie es der Titel von Alexandra Sells Dokumentation Durchfahrtsland nahe legt – nur hindurch fährt, um an einen anderen Ort zu gelangen. Ein Niemandsland, das den achtlos Vorbeifahrenden als wenig bemerkenswert erscheint.

Doch vielleicht ist es gerade diese Beliebigkeit der Provinz, die Austauschbarkeit und der versteckte Wahnsinn der spießig-bürgerlichen Provinz, die die Filmemacherin interessiert. Über ein Jahr hat sie das Geschehen in der Gegend begleitet, hat Menschen und Geschichten aufgespürt, für die das Durchfahrtsland Zentrum ihrer Welt ist. Mit ironischer, manchmal fast spöttischer Distanz schildert der Film, vermittelt durch einen Erzähler, das Nebeneinander von Junggesellenvereinen, Maienköniginnen, Spielmannszüge und seit Jahrhunderten miteinander verfeindeten Dörfern, bei denen schon mal der Pfarrer eingreifen muss, um die längst überfällige Versöhnung herbeizuführen.

Das alles ist durchaus unterhaltsam und erhellend, doch manchmal hat man das Gefühl, dass das Charakteristische der Gegend ein wenig auf der Strecke bleibt gegenüber dem Skurrilen und Bizarren. Und das findet sich ebenso in Regionen in Belgien, Italien oder in der Slowakei. Die gewollte und bewusste Distanz zu den Bewohnern des Vorgebirge sorgt für manches Schmunzeln und Kopfschütteln, doch bei allem Amüsement über manche Aussagen und Lebensweisen ist eines gewiss: Allein auf Grund des Films wird sich wohl kaum jemand finden, der freiwillig ins Vorgebirge zieht.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/durchfahrtsland