Das November Manifest - Noviembre

Pseudo-Doku eines revolutionären Straßentheaters

Als der junge und theaterverrückte Alfredo (Oscar Jaenada) Ende der Neunziger aus der Provinz nach Madrid kommt, träumt er davon, Schauspieler zu werden. Doch der Drill in der Schauspielschule überzeugt ihn schnell davon, dass der konventionelle Weg für ihn nicht der richtige ist. Er will raus aus den saturierten Kulturtempeln und seine Ideen und Ideale auf die Straße tragen. Gemeinsam mit Freunden gründet Alfredo schließlich ein unabhängiges Straßentheater mit dem Namen „Noviembre“, das natürlich wie alle revolutionären Institutionen auch über ein eigenes Manifest verfügt. Dessen zentrale Punkt ist die Ermahnung, niemals Geld für die Vorstellungen zu nehmen.

Alfredo und seine Truppe beginnen mit ihren schrillen und provokativen Performances in den Fußgängerzonen Madrids, in der U-Bahn und in den Einkaufszentren. Schnell erreicht „Noviembre“ ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, und je ausgefallener und provokativer die Guerilla-Aktionen des Straßentheaters werden, desto mehr interessiert sich auch die Staatsmacht für die bunten Vögel. Als Alfredo und seine Freunde in einer Performance ein Attentat der baskischen ETA fingieren, um auf die politische Situation aufmerksam zu machen, kommt es schließlich zum Eklat, es folgen Verhaftungen und ein Auftrittsverbot. Mehr und mehr treten nun auch innere Zerwürfnisse zu Tage, „Noviembre“ gerät an den Abgrund der Auflösung, zumal als Alternative zum Schritt in die Illegalität das lukrative Angebot eines Eventmanagers lockt. Doch Alfredo will nicht so einfach aufgeben, er plant eine letzte große Aktion...

Junges und erfrischendes Straßentheater passt anscheinend so gar nicht in unsere Zeit und so wirkt der Film und sein ansteckender Idealismus manchmal fast wie eine Zeitreise in die Siebziger, als revolutionäres Theater auf der Straße die Spitze der Avantgarde war. Und tatsächlich sind es auch die realen Erlebnisse des legendären Truppe „El Piojo Picón“, die der Schauspieler und Regisseur Achero Mañas im Sinn hatte. Was wäre, wenn heute so eine Gruppe aktiv wäre? Hätte sie die gleichen Probleme wie damals? Würde sie nicht letztendlich zwangsläufig an internen Streitigkeiten und externen Beschränkungen scheitern? Ist freie Kunst ohne Grenzen in Zeiten und Gesellschaften wie diesen überhaupt möglich? Das sind die Fragen, die der Film aufwirft.

In einer Mischung auf mitreißenden Straßentheater-Performances und Interviewpassagen mit Mitgliedern von „El Piojo Picón“ entwirft Achero Mañas das schillernde und letztlich auch desillusionierende Bild über Macht und Ohnmacht der Kunst, über Ideale und Engagement. Auch wenn man sich manchmal ein wenig mehr dramaturgische Raffinesse gewünscht hätte (so bleiben die Beziehungen der Mitglieder von „Noviembre“ doch sehr im Dunkeln), begeistert der Film und erweckt die Sehnsucht, noch einmal so jung und so idealistisch sein zu können.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/das-november-manifest-noviembre