Edelweißpiraten

Die vergessene Seite des Widerstandes

Auf der Berlinale lief 2005 neben Sophie Scholl – Die letzten Tage noch ein weiterer Film über eine deutsche Widerstandsgruppe im Dritten Reich, Niko von Glasows Edelweißpiraten. Doch es lag keinesfalls allein nur am immensen Erfolg von Sophie Scholl, dass diese andere Sicht auf den Widerstand unterzugehen drohte. Vielmehr schien sich damit eine lange Leidensgeschichte fortzusetzen, wie sie möglicherweise für den deutschen Film kennzeichnend ist. Denn der Film stammt bereits aus dem Jahr 2002, fand jedoch lange kein Verleih und wird so erst mit einiger Verzögerung in die deutschen Kinos kommen, während er im Ausland längst zu sehen war. Der Grund liegt unter anderem auch in der Wahl des Themas, denn bis vor kurzem waren die Edelweißpiraten nicht offiziell als Widerstandsgruppe anerkannt, in der Nachkriegszeit galten sie gar als ganz gewöhnliche Kriminelle. Doch die Hintergründe der Edelweißpiraten waren ganz andere.
Am Anfang war der Widerstand der zumeist aus der Arbeiterschicht stammenden Jugendlichen eher eine Aversion gegen die Zwangsmitgliedschaft in der HJ als politische Aktion. Vor allem in Köln, Düsseldorf und im Ruhrgebiet steckten sich die zumeist aus der Bündischen Jugend und der Wandervogel-Bewegung stammenden Teens Edelweißanstecker unters Revers, hörten verbotene "Negermusik" und verprügelten angepasste Angehörige der Hitlerjugend, Aktionen, die sich eher aus Oppositionsgeist als aus politischem Bewusstsein speisten. Doch mit der Zeit wurden die Maßnahmen schärfer, so nahmen die Edelweißpiraten Deserteure und verfolgte Juden auf und wagte neben Sabotageakten und Plakataktionen sogar Anschläge auf Repräsentanten des Regimes.

Diesen Weg schildert auch Niko von Glasow, denn hier ist es zunächst unpolitische Karl (Iwan Stebunov), der den entflohenen Häftling Hans (Bela B. Felsenheimer) bei sich und der zweifachen Mutter Cilly (Anna Thalbach) aufnimmt. Als Hans sich mehr und mehr zum Anführer der Gruppe macht, ist es mit dem bislang nur abenteuerlichen Leben schnell vorbei. Die Jugendlichen geraten ins Visier der Gestapo und werden mit aller Härte verfolgt. Als der Druck auf die Gruppe wächst, wird schnell klar, dass längst nicht alle Edelweißpiraten politisch und solidarisch handeln. Die Kölner Gruppe wird auch durch Verrat und Denunziation gesprengt.

Im Film wird die Rahmenhandlung von einem der letzten Überlebenden der Köln-Ehrenfelder Edelweißpiraten, Jean Jülich, gesprochen, der erst im Sommer diesen Jahres erleben durfte, wie ihm die Stadt Köln die längst überfällige Rechtfertigung zuteil werden ließ. Anderswo war man da schneller, denn bereits 1984 wurde er in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als "Gerechter unter den Völkern" geehrt. Niko von Glasows spannender Film ist ein weiterer Baustein in der Rehabilitierung der rebellischen Jugend des Dritten Reichs, auch und vor allem deswegen, weil er die Akteure von damals nicht platt heroisiert, sondern durchaus kritisch sieht. Empfehlenswert!

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/edelweisspiraten