Estland, mon amour

Spurensuche

Nach wie vor ist Estland, einer der drei baltischen Staaten, für viele Menschen eine "Terra incognita", ein Land, über das man so gut wie nichts weiß. Und das, obwohl das Land am Finnischen Meerbusen seit dem 1. Januar 2004 Mitglied der EU ist. Auch Sibylle Tiedemann wusste anfangs nicht allzu viel über Estland, doch als ihr Bruder Klaus Anfang neunziger Jahre seine Zelte in Deutschland abbrach, um auf der Suche nach seinen Wurzeln nach Estland zu ziehen, war die Verbindung zu jenem fernen Land hergestellt und die Neugier geweckt. Er nannte Estland, die frühere Heimat der Eltern, in Erzählungen, immer sein "Sommerland", sein "Mittendrin im Leben"-Land. 1996 fand Klaus Tiedemann in seinem Sommerland unter mysteriösen Umständen den Tod, von dem nie ganz aufgeklärt werden konnte, ob es sich dabei um einen Unfall oder um die Folgen eines Überfalls gehandelt hat. Als seine Schwester die Nachricht erhält, dass der 47-jährige im Gartenhaus eines Freundes an Herzversagen gestorben ist, will sie mehr über die genauen Umstände in Erfahrung bringen, zumal ihr Bruder bis dato als kerngesund galt.
In dem kleinen Nationalpark an der Küste Estlands zwischen Tallin und Narva, beginnt auch die Spurensuche seiner Schwester Sibylle Tiedemann, die Jahre später aufbrach, um möglicherweise Licht ins Dunkle um den Tod ihres Bruders zu bringen und herauszufinden, was ihn an Estland so sehr anzog. Die Antworten, die sie sucht, führen die Filmemacherin aber nicht nur zu einem besseren Verständnis ihres Bruders, sondern auch zu einer Konfrontation mit eigenen, ganz existenziellen Fragen. Und sie dringt dabei immer tiefer in ein Land vor, das zugleich gastfreundlich und verschlossen, magisch und ernüchternd ist. Immer mehr verstrickt sich die Filmemacherin in den widersprüchlichen Aussagen zum Tod ihres Bruders und im Zauber eines Landes, dessen Natur und Menschen sie zunehmend gefangen nehmen.

Was einstmals fast als eine kriminalistische Spurensuche begann, entwickelt sich im Laufe des Films mehr und mehr zu einem dokumentarischen Videotagebuch, der Rekonstruktion eines Leben und der beinahe epischen Beschreibung eines Landes, das für ihren Bruder das Paradies auf Erden war.

Ein elegischer und leiser Film über den Abschied und ein Land, das es allem Anschein nach zu entdecken gilt, manchem Zuschauer mag dieser sehr private Film allerdings zu hermetisch sein.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/estland-mon-amour