Frozen Angels

Schöne neue (Kinder)Welt

Los Angeles ist der Inbegriff einer Stadt, in der Träume entstehen, ein glamouröser Ort, in dem die Wünsche und Sehnsüchte der Menschen in einem riesigen industriellen Komplex bedient, gespeist und angefacht werden. Doch Los Angeles ist nicht nur die Filmmetropole schlechthin, sondern auch das weltweite Zentrum der Reproduktionsmedizin. Ein Schuft, wer einen Zusammenhang zwischen der berüchtigten Oberflächlichkeit von Tinseltown und den Machbarkeitsphantasien der Gen-Päpste wittert. Und doch, so drängt es sich nach dem Kinogänger nach dem Besuch des Film Frozen Angels von Frauke Sandig und Eric Black geradezu auf, sind dies zwei Seiten einer Medaille, zwei Möglichkeiten, aus den Sehnsüchten der Menschen nach einer heilen Welt Profit zu ziehen.

Im Zentrum des Films steht die Begegnung mit Bill Handel, seines Zeichens Radiomoderator und Gründer der weltweit größten Agentur für Leihmütter und Eizellen-Spenderinnen, dem Center for Surrogate Parenting, Inc.(CSP) & Egg Donation, Inc. – eine höchst fragwürdige Person, die sich nicht scheut, das hohe Lied der Segnungen seines Business über den Sender KFI zu verbreiten. Doch die Botschaft kommt an im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wie der Film eindringlich zeigt. Im zentralen Interview Handels mit der auf Gentechnologie spezialisierten Anwältin Lori Andrews erfährt man beispielsweise, dass es in den USA möglich ist, bestimmte Gene patentieren zu lassen. Was beispielsweise bedeutet, dass krankheitsverursachende Gene im Falle ihrer Entdeckung primär dazu dienen, den Patentinhaber unermesslich reich zu machen. Vor dem Hintergrund explodierender Gesundheitskosten und der mangelhaften Absicherung vieler US-Amerikaner ein mehr als deutliches Zeichen dafür, dass die Schere zwischen Arm und Reich in Zukunft auch eine Lücke zwischen Gesund und Krank offenbaren wird. Doch das ist nur die Spitze des Eisberges.

Doch es ist nicht nur die nackte und sich als Menschenfreundlichkeit mühsam kaschierende Profitgier, die diesen Film zu einer schonungslosen Analyse dessen, was uns möglicherweise bald erwartet, macht. Es ist ebenso die grenzenlose Naivität der Menschen, die sich der Reproduktionsmedizin bedienen, es sind die Beschwörungen der Leihmütter, wie toll man sich dabei fühle, anderen Paaren zu einem Kind zu verhelfen. Es ist die Angst einer Leihmutter, eines der von ihr ausgetragenen Kinder könne sie später einmal aufspüren und ihr die Frage stellen, warum sie das gemacht habe. Es ist die geradezu hündisch anmutende Frage einer Leihmütter kurz nach der Geburt, ob das Kind den „Auftraggebern“ auch gefalle. Es ist der latente Rassismus und das allgegenwärtige Diktat der Schönheit und Klugheit gegenüber den weniger Privilegierten, es ist die Doppelmoral eines Landes, das sich in Fragen der Sterbehilfe weitaus zugeknöpfter zeigt als in Sachen Reproduktionsmedizin.

Die beiden Filmemacher Frauke Sandig und Eric Black interessieren sich dabei nicht für das Wie des Themas, was den Film zu einer mehr oder weniger öden Wissenschaftsdoku gemacht hätte, sondern ausschließlich für moralische und ethische Fragestellungen, die zu keinem Zeitpunkt mit erhobenem Zeigefinger in den Raum gestellt werden. Meist fallen die entscheidenden und entlarvenden Sätze nebenbei, werden von der Akteuren selbst gesprochen und sorgen über weite Strecken für ein ungläubiges Kopfschütteln. Doch trotz aller bizarren und skurrilen Momente wirkt Frozen Angels im Subtext wie düstere Science-Fiction, nach der man sich wünscht, dass nicht alles, was hier gezeigt wird, auch tatsächlich umgesetzt wird. Ein flammender Appell an die Politik, nicht auch noch das Geschäft mit dem Leben dem freien Spiel der Kräfte auf dem Markt von Angebot und Nachfrage zu überlassen. Denn das sind wir unseren Kindern schuldig.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/frozen-angels