Merry Christmas

... und Friede auf Erden!

Eine Filmkritik von Gesine Grassel

Als 1914 der erste Weltkrieg ausbricht, jubeln die Europäer. Zu Hunderttausenden werden junge Männer für den Kriegsdienst verpflichtet und eingezogen. Ein paar Monate und tausende Tote später macht sich Ernüchterung breit. An der Westfront stehen sich französische, britische und deutsche Truppen seit Monaten gegenüber. Es ist Winter, die Soldaten frieren und an Ablösung ist nicht zu denken. Ständig auf der Hut vor dem Feind vergeht eine Woche nach der anderen. Kurz vor Weihnachten sind die Männer müde und ausgelaugt und der Wunsch nach Frieden und der Rückkehr nach Deutschland ist das einzige, was sie weiterkämpfen lässt. Einer der Soldaten ist der Berliner Tenor Nikolaus Sprink (Benno Fürmann). Als einziger Künstler unter einfachen Handwerkern und Bauern hat er einen denkbar schlechten Stand bei Leutnant Horstmayer (Daniel Brühl).
Die dänische Sopranistin Anna Sörensen (Diane Krüger) will helfen. Sie überredet den Kronprinzen Wilhelm von Preußen zu einem weihnachtlichen Konzertabend in der Nähe der Westfront, wo ihr Geliebter Nikolaus stationiert ist. Dieser wird für den Auftritt ins Schloss geladen und kann die Front verlassen. Die beiden sind überglücklich über das kurze Wiedersehen. Spontan beschließt Nikolaus, dass auch seine Kameraden an der Front etwas vom Weihnachtsfest haben sollen. Er fährt zusammen mit Anna an die Front und sie singen für die verblüfften Männer. Da für den Weihnachtsabend ein Waffenstillstand vereinbart worden war, lauschen auch die feindlichen Soldaten in den wenige hundert Meter entfernten Schützengräben. Als er „Stille Nacht“ anstimmt, applaudieren die Franzosen und Engländer plötzlich. Angestachelt von soviel Freundlichkeit verlässt der Tenor den sicheren Graben und begibt sich ins Niemandsland, genau in die Mitte zwischen den stationierten Regimentern. Das Wunder geschieht – auf einmal steigen alle Soldaten herauf und feiern zusammen Heiligabend. Auch am nächsten Morgen ist vom Krieg nichts zu spüren. Sie spielen Fußball, tauschen Geschenke und bringen gefallene Soldaten zur jeweiligen Seite zurück. Die Verbrüderung der feindlichen Lager bleibt nicht lange unentdeckt und die Heeresleitungen schreiten umso härter ein.

Merry Christmas ist ein klares Statement gegen den Krieg, der elf Millionen Menschen das Leben kostete. Regisseur Christian Carion zeigt die Perversität und das Absurde des Krieges. Während einfache Soldaten an der Front hungern, frieren und am Ende von einer Kugel getroffen werden, sitzen die Befehlshaber in ihren Palästen und lassen es sich an nichts fehlen. Nach einer wahren Begebenheit inszeniert wurde die Völkerverständigung auch bei der Produktion ganz groß geschrieben: Die französisch-deutsch-englisch-belgisch-rumänische Koproduktion ist dreisprachig und fährt mit viel nationaler Schauspielprominenz auf. Ein beklemmender Film, der selten konstruiert wirkt. Einzig die Auftritte von Benno Fürmann und Diane Krüger ziehen die Handlung ins Fantastische. Zu unglaubhaft bewegen die beiden ihre Münder zu (sehr guter) Playbackmusik, ihre Liebes- und Leidesgeschichte wirkt wie ein zusätzlich eingefügtes Puzzleteil. Erstaunlich dagegen Daniel Brühl, der endlich einmal aus seiner soften Schwiegermutters-Liebling-Rolle entkommt und seiner Filmfigur eine ganz spezielle Note einhaucht. Ein sehr sehenswertes Stück Zeitgeschichte.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/merry-christmas