Walk the Line (2005)

Even Cowboys get the Blues

Er war so etwas wie der schwarze Prinz der Country-Music, ihr Held und ihr Märtyrer, ihr Pate und ihr Hoher Priester – Johnny Cash. Seine Karriere ist scheinbar prototypisch für die Karrieren wirklich großer Musiker in den USA: Aus einfachsten Verhältnissen kommend, spielte sich ein zorniger junger Mann gegen die Widerstände in die Herzen der Menschen und in die Charts und bezahlte für seine Karriere mit einem Martyrium aus Drogensucht und Depressionen, aus verlorener Liebe und lebenslanger Suche nach Erfüllung. Jamens Mangolds Film Walk the Line konzentriert sich vor allem auf die wilden Jahre Cashs, auf seine Suche nach sich selbst und auf seine Romanze zu der Sängerin June Carter (Reese Witherspoon), die wegen Cashs früher Ehe unter keinem guten Stern stand.

Mitreißend und in manchen Szenen richtig ergreifend, ist Walk the Line ein Film, der nicht nur Country-Fans begeistern dürfte. Dass der Film trotz einiger Schwächen des Drehbuchs und einem - leider recht zentralen Ausflug in die Abteilung Küchenpsychologie - absolut gelungen ist, liegt vor allem am Duo Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon, die Walk the Line mit ihren Performances zu einem ernst zu nehmenden Konkurrenten für Brokeback Mountain beim bevorstehenden Rennen um die Oscars machen. Sehenswert und nachvollziehbar ist dabei vor allem die Liebesgeschichte zwischen Cash und Carter, die alle Höhen und Tiefe einer Romanze beinhaltet und die im Laufe des Films einen immer größeren Raum einnimmt. Momente der Zärtlichkeit wechseln sich ab mit gegenseitigen Verletzungen und Augenblicken großer Sehnsucht, so dass der Film in einigen Szenen vollkommen vom sattsam bekannten Genre der Biopics ablöst und nebenbei einen großartigen Liebesfilm ergibt. Das mag für hartgesottene Johnny Cash Fans bisweilen ein wenig gewöhnungsbedürftig sein, den Zuschauern allerdings, die den „Man in Black“ gerade erst neu für sich entdecken, gibt es die Möglichkeit eines einfacheren Zugangs zu diesem Mann. So ist es dann auch logisch, dass ob dieser Betonung der Love Story ganze Lebenspassagen Cashs keinen Platz finden, vor allem die spätere Zeit, in der sich Cash in den Popcharts wiederfand, sucht man vergebens. Doch die Leistung von Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon beschränkt sich keineswegs auf die Irrungen und Wirrungen der Liebe, beide erweisen sich zudem auch als formidable Sänger. Das wird vor allem dann deutlich, wenn Cash mit zunächst unsicherer Stimme beim Vorsingen vor einem Plattenboss den „Folsom Prison Blues“ anstimmt und im Laufe dieses Liedes vom schüchternen, gehemmten Jungen zum charismatischen Star geriert – das ist definitiv ganz großes Kino und ein richtiger Gänsehaut-Moment.

Auch wenn oder gerade weil Walk the Line durch seine Auslassungen und seine Konzentration auf eine bestimmte Episode in Johnny Cashs Leben notwendigerweise kein perfektes Gesamtbild dieses großen Mannes zeichnet, schafft der Film doch genau das, woran viele andere Biopics kranken – er macht Lust darauf, mehr von Johnny Cash zu erfahren und sich intensiver mit seiner Musik zu beschäftigen. Und das ist verdammt viel...

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/walk-the-line-2005