Gernstls Reisen – Auf der Suche nach dem Glück (2005)

Drei Männer unterwegs

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Drei Freunde reisen in einem VW-Bus durch Deutschland, Österreich, die Schweiz und Südtirol. Der eine hat eine Kamera, der zweite ein Mikrophon und der dritte das Talent, schlicht zuzuhören. Ihren Zielen begegnen sie unterwegs meist zufällig: Menschen. Keine bestimmten, keine berühmten, keine berüchtigten, sondern schlicht jene Menschen, die ein wenig oder auch mehr davon erzählen, was sie treiben und was sie umtreibt. Und bei Zeiten blitzt etwas von dem durch, was allgemein als Glück bezeichnet wird. Geradezu ein Anti-Konzept, und doch eines, das bereits zwei Mal mit dem Grimme-Preis und ein Mal mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet wurde.

Die Zuschauer des Bayerischen Fernsehens kennen und lieben ihn längst, diesen Franz Xaver Gernstl, der bereits seit 1983 mit seinen unspektakulären und lebensnahen Reiseberichten äußerst erfolgreich ein Roadmovie in Serie inszeniert, dessen Essenz nun als Gernstls Reisen - Auf der Suche nach dem Glück in den Kinos zu sehen sein wird. Der Film porträtiert Hippies, Bhagwan-Jünger und Menschen aus der ehemaligen DDR und dokumentiert damit ausgewählte Geschichten über Menschen im Wandel der Geschichte, die sich selbst darstellen. Denn Fragen gehören seltsamerweise kaum zum Handwerkszeug des Regisseurs Gernstl, der bemüht ist, stets das einzufangen, was jede Person von sich selbst zu zeigen bereit ist, was sicherlich eines der Geheimnisse seiner Arbeit ist. Ein anderes ist fraglos der offene Zeitrahmen. Mittlerweile ist Gernstl mit seinem Team sechzig bis achtzig Tage im Jahr unterwegs, um zu drehen, jedoch ohne Termindruck, denn er filmt die Menschen einfach dort und dann, wenn sie ihm gerade über den Weg laufen und nimmt sich die Zeit, die erforderlich ist, was ein Höchstmaß an Authenzität transportiert. „Das Verplempern von Zeit ist gewissermaßen mein Beruf“, so Gernstl.

Die Geschichte des Filmemachers selbst und seiner Begleiter, dem Kameramann Hans Peter Fischer und dem Tontechniker Stefan Ravasz, begann in einer Wohngemeinschaft in München. Dort lebte Gernstl, der Sozialpädagogik studierte, eine Lehre als Bankkaufmann absolvierte und erst später als Hospitant zum Fernsehen stieß, zusammen mit seinem Freund Fischer, der Fotograf war. Gemeinsam mit ihrem Freund Ravasz, der in einer Druckerei arbeitete und sie häufig am Abend besuchte, träumten sie davon, mit der Kamera unterwegs zu sein. Gernstl und Fischer gründeten schließlich eine Produktionsfirma und erhielten 1982 vom Bayerischen Rundfunk den Auftrag, einen Film zu machen. Es entstand 10° östlicher Länge, und rasch folgten weitere Dokumentationen. Bald schloss sich auch Ravasz seinen Freunden als Mann für den Ton an, und seitdem sind die drei in ihrer wenig organisierten Mission unterwegs, den Menschen in seinem alltäglichen Lebensraum und –traum anzutreffen. Dass es sich dabei im Grunde um eine Suche nach jenem individuellen Glück handelt, das sich schlicht in den einfachen Dingen des Daseins und der persönlichen Gestaltung desselben durch den Einzelnen manifestiert, hat sich für die Crew erst im Laufe der Zeit herausgestellt.

Gernstls Reisen - Auf der Suche nach dem Glück ist ebenso die Geschichte der bekannten Reisedokumentationen wie jene des ungewöhnlichen Filmteams selbst. Kommentare des Regisseurs und nachträglich ergänzte Bilder ergeben so eine Art von Meta-Dokumentation, die nicht nur für die Fans der Fernsehserie auf ganz subtile Art unterhaltsam und spannend ist. Gernstl trifft auf Menschen, kommt mit ihnen ins Gespräch, es wird zuweilen zusammen gegessen und vor allem getrunken, und jenseits der üblichen, distanzierten Arroganz eines Beobachters lässt der Regisseur seine natürlichen Protagonisten in ihrer Alltäglichkeit zeigen, was sie sind und worin ihre Art des Glücks liegt, denn er ist überzeugt: „Glück ist eigentlich der Normalzustand des Menschen. Leider machen wir uns viel zu oft einen Kopf, was noch alles besser sein könnte. Ständig ist uns entweder zu warm oder zu kalt. Das macht unglücklich. Aber wenn man das selbsterfundene Unglück mal abzieht, so kann man doch einfach nur froh und glücklich darüber sein, dass man auf der Welt ist.“ Eine Botschaft, die der kleine Film transportiert, und dem allein deswegen ein großes Publikum zu wünschen ist.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/gernstls-reisen-auf-der-suche-nach-dem-glueck-2005