Der Rote Kakadu

Der süße Duft der Freiheit

Im April 1961 ist die Welt im real existierenden Sozialismus noch in Ordnung. Der junge und etwas naiv-idealistische Siggi (Max Riemelt) ist ein begabter Zeichner und will unbedingt Bühnenbild an der Theaterhochschule studieren. Vier Monate vor dem Mauerbau kommt er nach Dresden, um am dortigen Theater erste Erfahrungen als Kulissenmaler zu arbeiten. Ein Job, dem ihm seine Tante Hedy (Ingeborg Westphal) besorgt hat, die ebenfalls am Theater arbeitet und bei der Siggi auch wohnen kann.
Doch es deutet sich bereits in jenen Tagen an, dass die Staatsführung in Zukunft weniger tolerant gegen „Andersdenkende“ sein wird, wie Siggi am eigenen Leib erfährt. Bei einem Spaziergang durch den Park schaut er fasziniert einer Gruppe Jugendlicher zu, die Rock ‚n’ Roll tanzen. Die Ausgelassenheit ist allerdings schnell vorüber, als urplötzlich ein Trupp Volkspolizisten auftaucht und wahllos auf die Jugendlichen einprügelt und den Plattenspieler sowie die Singles einfach zertrampelt. Zusammen mit der Lyrikerin Luise (Jessica Schwarz), die wie er das muntere Treiben beobachtet hat, kann Siggi fliehen und lernt schließlich Wolle (Ronald Zehrfeld) kennen, Luises Mann. Durch die beiden gerät Siggi schließlich den Roten Kakadu kennen, ein Tanzlokal, in dem sich die Rock ‚n’ Roll- begeisterte Jugend Dresdens regelmäßig trifft. Auch Siggi ist dort bald ein regelmäßiger und gern gesehener Gast.

Die Parteiführung ist äußerst misstrauisch ob der Umtriebe im Roten Kakadu, zumal sich dort auch immer wieder Parteiprominenz und Stasi-Funktionäre versammeln und immer häufiger kommt es zu Konfrontationen und Maßnahmen gegen den moralisch zersetzenden westlichen Rock ‚n’ Roll und seine „Jünger“. Und als wäre das nicht kompliziert genug, verliebt sich Siggi auch noch in Luise und versucht mit aller Macht, ihre als „dekadent“ geächteten Gedichte in Buchform zu veröffentlichen. Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, denn die Zeit der relativen Freiheit ist bald vorüber...

Die Ostalgie-Welle rollt nach wie vor, doch in Dominik Grafs neuem Film Der Rote Kakadu sind es weniger die Siebziger oder Achtziger Jahre, die in den meisten anderen Filmen zum Thema DDR-Vergangenheit den zeitlichen Rahmen bilden, sondern die Zeit des Umbruchs kurz vor dem Mauerbau. Als wüssten sie, dass die Tage der Freiheit endgültig bald gezählt sind, feiern die Jugendlichen hier ihr Leben, versuchen zwischen wachsenden Repressionen, sozialistischer Spießigkeit und Auf- und Ausbruchsphantasien ihr Leben zu gestalten und ihre Träume zu leben, was angesichts der immer noch zerbombten Städte und der alltäglichen Lebensmittelknappheit befremdlich anmutet. Der Blick auf die Befindlichkeiten der deutschen Ostjugend erzählt dabei weitaus mehr über die Geschichte der DDR als so mancher wohlgemeinte Film aus seligen DEFA-Tagen, zumal der Geist der unschuldigen Revolte, verbunden mit einer melancholischen Liebesgeschichte packt und fesselt. Der Rote Kakadu macht wieder einmal klar, dass Dominik Graf einer der besten und vielleicht unterschätztesten deutschen Regisseure ist, dessen Arbeiten immer noch nicht den (auch quantitativen) Erfolg bekommen, den sie längst verdient haben. Vielleicht ändert ja dieser Film endlich etwas daran.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/der-rote-kakadu