Syriana

Tödliches Öl-Monopoly

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Mittlerweile hat es sogar der amerikanische Präsident verstanden, dass die Abhängigkeit vom Öl einer Sucht gleicht, zu deren Befriedigung der „Junkie“ nahezu jede politische Schurkerei zu tun imstande ist. Ob diese Erkenntnis allerdings die aktuelle amerikanische Außenpolitik wesentlich beeinflusst, bleibt abzuwarten und darf bezweifelt werden.
In dem Politthriller Syriana zeichnet Regisseur und Drehbuchautor Stephen Gaghan, der bereits das ähnlich gelagerte Skript zu Traffic schrieb, den Sumpf aus Machtgehabe und Wirtschaftsinteressen, Korruption und Gewalt nach und zeichnet ein durchaus engagiertes, zwar fiktives, aber auf Fakten beruhendes Bild der amerikanischen Außenpolitik der letzten 20 Jahre – nicht real, aber verdammt realistisch.

Basierend auf dem Buch der ehemaligen CIA-Agenten Robert Baer Der Niedergang der CIA und auf eigenen Recherchen versucht Stephen Gaghan, die Komplexität des Ölgeschäfts mit all seinen Schattenseiten in seinen Grundzügen nachzustellen – allein das ist für einen Spielfilm schon eine titanische Aufgabe, doch Gaghan gelingt der Spagat zwischen Thesenfilm und Kinounterhaltung, zwischen Fiktion und Interpretation der (vermutlich) wahren Geschehnisse und Mauscheleien, Tricks und Intrigen. Klar, dass so eine vielschichtige Story nicht allein durch einen stringent erzählten Handlungsfaden adäquat erzählt werden kann, und so verknüpft Gaghan wie bereits in Traffic mehrere Plotlines miteinander: Da ist zum einen der CIA-Agent Bob Barnes (George Clooney), der im Auftrag der amerikanischen Regierung schon nahezu jede Schweinerei begangen hat, dem aber nun dämmert, dass er nur die willfährige Marionette in einem Spiel ist, das er nicht begreift. Im zweiten Handlungsstrang geht es um die Verbindungen zwischen dem Wirtschaftsberater und Energieexperten Bryan Woodman (Matt Damon) zu einem Emirat am Persischen Golf, in dem es nach dem Tod des Potentaten zu einem Machtkampf der beiden Söhne kommt. Während der eine die bestehende Zusammenarbeit mit der Vereinigten Staaten fortsetzen will, tendiert der andere dazu, für mehr Demokratie einzutreten. Und zu guter Letzt geht es auch noch um die Fusion zweier undurchsichtiger Ölfirmen, die in Washington über die Bühne gebracht werden soll.

Syriana ist ein unglaublich komplexer, reflektierter und engagierter Film, bei dem es vor Schurken, finsteren Absichten und Machtspielchen nur so wimmelt. Keine der auftauchenden Personen ist in irgendeiner Weise positiv gestaltet oder lädt zur Identifikation ein und mehr als einmal glaubt man im Gestrüpp der Informationen und Verwicklungen, die der Film präsentiert, den Überblick zu verlieren. Zugegeben: Keine leichte Kost, aber trotzdem unbedingt sehens- und empfehlenswert für alle, die schon immer mal einen Blick hinter die Kulissen des Ölgeschacheres werfen wollten.

Ein Trost sei aber all denen an die Hand gegeben, die vor so viel Fülle und Komplexität zurückscheuen: Die „große Politik“ und die Intrigen von Geheimdiensten und Konzerngiganten sind in Wahrheit noch viel undurchschaubarer. Der einzige Schwachpunkt des Films: Die Handlung ist so komplex und labyrinthisch, so detail- und realitätsversessen, dass die Vielzahl der Figuren (der Film weist rund 70 Sprechrollen auf), ihre Motive und Gefühle daneben wenig zur Geltung kommen. Allerdings ist das ein Manko, dass in diesem Fall gerne übersehen werden kann, denn der Erkenntnisgewinn ist umso höher. Gerade in Zeiten wie diesen ein mutiger und ein notwendiger Film und der Beweis dafür, dass auch Hollywood ab und an die Kraft besitzt, den Finger auf offene Wunden zu legen und die Schattenseiten der Globalisierung, die Durchdringung wirtschaftlicher Interessen bis in die Politik hinein anzuklagen. Mehr davon!

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/syriana