Knallhart

Mean Streets

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

In eine Situation, aus der es keinen Ausweg gibt und erst recht keinen, der sauber ist – in die möchte man nur ungern hineingeraten. In solch verhängnisvolle Sackgasse gerät der 15jährige Michael Polischka (bemerkenswert realistisch: Newcomer David Kross) in Detlev Bucks schonungslosem Berliner Großstadtfilm Knallhart.
Alles beginnt damit, dass Michael und seine Mutter Miriam (diesmal ganz unglamourös: Jenny Elvers-Elbertszhagen) von Dr. Peters (Jan Henrik Stahlberg), ihrem stinkreichen Ex-Liebhaber, vor die Tür seiner schicken Villa im aufgeräumten Zehlendorf gesetzt werden. Das Geld ist knapp und so müssen Mutter und Sohn mit einer heruntergekommenen Bleibe in Berlin-Neukölln, in einem der sozial schwächsten Stadtteile Berlins, vorlieb nehmen. Dort erlebt Michael, der lieber Polischka genannt werden will, den bitteren Sumpf der Großstadt. Prügeleien, Beschimpfungen und Kriminalität stehen auf der Tagesordnung. In der neuen Schule gerät er schnell unter die Fittiche von Erol (Oktay Özdemir) und seiner Schlägergang, die ihn hemmungslos verprügeln, Turnschuhe und Geld abnehmen. Die scheinbar einzigen Freunde findet er in seinen Schulkameraden Crille (Arnel Taci) und Matze (Kai Michael Müller), die ihn jedoch vor den demütigen Schlägen der fiesen Erol-Bande nicht schützen können.

Genau zum richtigen Zeitpunkt begegnet Polischka Hamal (Erhan Emre), dem Chef einer arabischen Drogenbande, die ihn vor Erols brutalem Schlägertrupp rettet. Als Gegenleistung begibt sich Polischka in Hamals Dienste und vertickt für ihn erst weiche, später auch härtere Drogen. Von Hamals Truppe erfährt und empfindet Polischka genau die familiäre Zugehörigkeit, die er sowohl zuhause bei seiner unfähigen Mutter als auch unter seinen vermeintlichen Freunden so sehr vermisst. Durch die neue Aufgabe sieht er wieder einen Sinn in seinem Leben – bis er eines Tages einen irreversiblen Fehler begeht. Hamal und seine Familie werden ihm zum Verhängnis.

Bucks neuer Film, dem der gleichnamige Roman von Gregor Tessnow zugrunde liegt, ist eine präzise Studie von Gewalt in Großstädten verbunden mit der Suche nach familiärer Bindung. Obwohl der Film wie auch das Buch im Berliner Problembezirk Neukölln spielen, ließe sich das Geschehen auch in jede beliebige andere Großstadt verlagern. Buck zeigt hier ein Neukölln, das sicher so manchem Zuschauer die Augen öffnet, das von ihm jedoch so realistisch abgebildet wird, als arbeite er im Dokumentarfilm-Genre. Klug konstruiert und dramaturgisch präzise durchdacht, ist ihm mit Knallhart ein kleines Meisterwerk gelungen. Bucks Film feierte seine Premiere als Panorama-Beitrag auf der diesjährigen Berlinale. Im Wettbewerb um den Goldenen Bären hätte er sicher große Chancen gehabt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/knallhart