Der Tiger und der Schnee

Die Kraft der Liebe und die Macht der Poesie

Attilio de Giovanni (Roberto Benigni), ein großer zappliger Junge mit einem Herz aus Gold, ist ein etwas weltfremder, versponnener Schriftsteller und lehrt Dichtkunst und Poetik in Rom. Nacht für Nacht träumt er von seiner Angebeteten, der schönen Vittoria (Roberto Benignis Ehefrau Nicoletta Braschi), doch die interessiert sich herzlich wenig für den Poeten. Nicht einmal Attilios Erolg mit seinem Gedichtband Der Tiger und der Schnee schafft es, ein engeres Band zwischen den beiden zu knüpfen. Immerhin aber lässt sich die Schriftstellerin Vittoria gegen ihrem Verehrer zu einem Versprechen herab: Sollte es tatsächlich einmal geschehen, dass sie in Rom einem Tiger im Schnee begegne, sei sie bereit, Attilios Flehen zu erhören – wohl wissend, dass es solche Wunder natürlich nicht gibt. Attilio aber ist von nun an beseelt und fest davon überzeugt, eines Tages Vittoria zur Frau zu nehmen.
Das ändert sich nicht einmal dann, als Attilio eines Tages von seinem irakischen Dichterkollegen Fuad (Jean Reno) aus Bagdad angerufen wird und eine traurige Neuigkeit erfahren muss: Vittoria, die an einem Buch über Fuad arbeitete, ist bei einem Bombenattentat in der irakischen Hauptstadt Bagdad schwer verletzt worden und liegt im Sterben. Ungeachtet des Irak-Kriegs, der gerade auf seinem Höhepunkt ist, bricht Attilio sofort gen Osten auf und landet – getarnt als Arzt des Roten Kreuzes – schließlich in Bagdad. Und Einsatz seines Lebens besorgt der Held wider Willen die kaum aufzutreibenden Medikamente, trotzt finsteren Irakern und amerikanischen Patrouillen, die in der seltsamen, mit Medikamenten und Verbandsmaterial bepackten Gestalt schlicht einen Selbstmordattentäter vermuten und gelangt schließlich gerade noch rechtzeitig ans Bett der Geliebten. Als Vittoria schließlich gesundet wieder nach Rom zurückkehrt, ahnt sie nicht, wer ihr geheimnisvoller Retter war. Und dann begegnet sie abermals Attilio…

Roberto Benigni erinnert immer mehr an den großen Komiker Charlie Chaplin: Mit der Besessenheit eines leidenschaftlichen Clowns versteht es der italienische Schauspieler und Regisseur, die Widrigkeiten des Lebens zu umschiffen und mit dem Glück des naiven Herzens dem Chaos auf der Welt, dem Krieg und der Gewalt etwas zutiefst Menschliches entgegenzusetzen. Das war bereits in dem famosen Das Leben ist schön so, und Der Tiger und der Schnee verfolgt diesen Weg beharrlich weiter. Dabei kümmert es Benigni herzlich wenig, ob die Ereignisse in seinen Filmen wahrscheinlich oder auch nur möglich sind. Und wer den Kriegsverlauf im Irak vor Augen hat, mag vieles in Der Tiger und der Schnee als naiv oder schlicht unwahr abtun. Doch darum geht es nicht, der Film lässt nie einen Zweifel daran, dass es sich hier ausschließlich um ein Märchen handelt. Und wer sich auf dieses Märchen einlässt, der wird – neben aller Überdrehtheit – wahrhaftig in eine Welt entführt, in der nahezu alles möglich ist. Ein Film zum Lachen, zum Weinen und zum Träumen. Wer allerdings beim Anblick hypermotorischer Kinder bereits nervös wird, dem sei von einem Besuch des neuen Films von Roberto Benigni dringend abgeraten, denn der italienische Star-Komiker zappelt und plappert, was das Zeug hält. Trotzdem gelingt ihm ein anrührender Film mit zu Herzen gehender Filmmusik des wunderbaren Tom Waits, ein Märchen über die Kraft der Liebe und des Glaubens, ein Fanal gegen den Krieg und für die Macht der Fantasie. Ein Film für Menschen, die im Herzen ebenso Kind geblieben sind wie der Regisseur und Hauptdarsteller selbst. Und insgeheim wünscht man sich, dass es mehr Kindsköpfe vom Schlage eines Roberto Benigni gäbe, vielleicht wäre die Welt dann ein wenig freundlicher.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/der-tiger-und-der-schnee