LOve & MOtion

Wider den Hightech-Kult

Am Anfang stand der Legende nach ein Fund auf dem Flohmarkt: Drei Studenten aus Tirol entdeckten in Wien an einem Stand eine merkwürdige kleine russische Kamera namens Lomo Kompakt Automat, nahmen sich des räudigen kleinen Dings an und kreierten einen Kult, der nun seit 15 Jahren in der Welt grassiert – die Lomographie.
Mittlerweile zählt die Lomo-Gemeinde weltweit rund 500.000 Anhänger, Tendenz weiter steigend, und in Moskau, New York, Wien, Berlin, St. Petersburg, Havanna, Zürich, Köln, Madrid, Cairo, Tokyo fanden bereits große lomographische Ausstellungen statt, in denen die Amateur-Fotografen ihre Bilder ausstellen. Das Geheimnis des kleinen Kultobjekts ist gerade die Billigkeit der Ausführung und die Unfertigkeit der Bilder, die die Lomo schießt – immerhin lautet das Credo der Gemeinde aus dem Mund des Lomo-Weltpräsidenten Wolfgang Stranziger „Nimm die Kamera, knips fünf Filme - und Du fühlst Dich besser“. Wenn es nur so einfach wäre, doch die Jünger des Kultes vernehmen solch einfache Botschaften gerne und befolgen den geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze der Gemeinde. Besonders Fotos, Verzeihung Lomographien, die nach Western-Manier aus der Hüfte geschossen sind, finden den Beifall der Szene, ebenso wie eine möglichst billige Form der Entwicklung, um die Trashigkeit der Bilder zu betonen. Der Hype hat der Lomo das Leben gerettet, denn die Billig-Knipsschachtel stand bereits kurz vor der Produktionseinstellung. Trotzdem, der PR-Mann der Lomo-Fabrik in St. Petersburg scheint noch heute sichtlich bewegt und nicht minder befremdet von der ersten Begegnung mit den Foto-Spontis, die seiner Firma zu neuem Ruhm und prallen Auftragsbüchern verhalfen.

LOve & MOtion nimmt sich des Kultes an, spricht mit Anhängern und Beteiligten, mit Fans und Freaks über ihre Leidenschaft am Schnellschuss und schwelgt in den Bildern, die durch Lomos entstehen. Oftmals glaubt man sich in den Fängen einer obskuren Sekte, manchmal schimmert auch durch, was den Reiz der Lomographie ausmacht – die Spontanität, die Schnelligkeit, das Unfertige und Improvisierte, für das – so scheint es – im wirklichen Leben kaum mehr Platz ist. Es ist auch eine Revolte gegen die Hightech-Besessenheit unserer Tage, eine Sehnsucht nach der guten alten Zeit, als technische Gerätschaften noch einfach zu durchschauen waren und keine fortgeschrittenen Kenntnisse in Informatik bedurften. Doch auch die Kehrseite des Kults bekommt man zu sehen: Die Bilderflut, die durch den Lomo-Kult in Gang gesetzt wurde. Denn die Lomographie lebt nicht vom Einzelbild, sondern von der schieren Masse. Das Motiv selbst, die Aussage, der Inhalt eines Bildes ist nichts, vielmehr regiert eine gewisse Wahllosigkeit, die sich in Wahrheit nicht gegen den herrschenden Zeitgeist des Hightech richtet, sondern lediglich eine andere Strömung unserer Gesellschaft widerspiegelt: „Geiz ist geil“ oder die die Ästhetik des Billigen. Und noch eine Strömung offenbart sich im Kult um die schnellen Bilder: Nur nicht nachdenken – so lautet ein weiteres Prinzip der Lomo-Aktivisten. Wer darüber reflektiert, was er tut oder abknipst, hat schon verloren. Es lebe die fotographische Spaßgesellschaft.

Auch wenn die LomographINNEN es nicht wahrhaben wollen, die Zeiten, in denen sie die Feuilletons der großen Zeitungen füllten und als Avantgarde und Zeitgeist-Phänomen bestaunt wurden, neigen sich langsam aber sich dem Ende zu. Daran wird auch LOve & MOtion nichts ändern, der in seiner unkritischen Begeisterung bisweilen wie ein Abgesang auf einen untergehenden Kult wirkt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/love-motion