Geh und lebe

Von einem der auszog, um es besser zu haben

Wir alle kennen noch die Bilder des Elends aus Äthiopien, als dort Mitte der Achtziger eine große Hungersnot tobte. Und mit genau diesen Bildern beginnt auch der neue Film des Regisseurs Radu Mihaileanu, dessen Film Zug des Lebens noch in guter Erinnerung sein dürfte. Zug des Lebens wäre übrigens auch ein guter Titel für Mihailenaus neuen Film Geh und lebe / Va, vis et deviens, denn wie in seinem vorherigen Film erzählt der Filmemacher auch hier eine Geschichte, die vom Überleben handelt: David (Moshe Agazai)ist neun Jahre alt und lebt in Äthiopien. Das Land befindet sich Mitte der Achtziger auf dem Tiefpunkt, die Hungersnot hat bereits Hunderttausende hinweg gerafft, und auch dem Jungen droht nun in einem Flüchtlingscamp in der Wüste das gleiche Schicksal. Sein Bruder und seine Schwester sind bereits in ein ungewisses Schicksal aufgebrochen, doch als seine Mutter, der letzte Mensch, der ihm noch geblieben ist, ihn urplötzlich mit den Worten „Geh, lebe und werde!“ wegschickt, versteht der kleine Junge überhaupt nicht, was mit ihm geschieht. Was er nicht weiß: Der Transport, der ihn aus dem Lager hinausbringt ist Teil einer israelischen Rettungsaktion mit dem Namen „Operation Moses“, die äthiopische Juden, die Fallashas, ins gelobte Land bringen soll.
Als David in Tel Aviv ankommt, hört er auf den Namen Schlomo und kommt bei einer Adoptivfamilie unter. Wohl wissend, dass seine Rettung letztlich nur auf einem Betrug aufbaut, erfährt er nun ein ganz neues Leben, geprägt von Hass, Vorurteilen und Krieg. Doch er erlebt auch seine erste Liebe, aber egal, was er auch tut und was ihm widerfährt, stets wird er immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen, auf die Frage, wer er denn nun wirklich ist, David oder Schlomo, Christ oder Jude, Israeli oder Äthiopier?

Die Operation Moses gab es tatsächlich um die Jahreswende 1984/85, und viele der damals Geretteten erlebten in ihrer neuen Heimat genau das gleiche Schicksal, das auch dem kleinen David / Schlomo widerfährt. Sie erfuhren Hass und Ausgrenzung, wo Mitgefühl und Mitmenschlichkeit nötig gewesen wären und sie wuchsen zwischen zwei Kulturen auf, in denen sie nicht mehr oder noch nicht zuhause waren. Insofern ist Geh und lebe / Va, vis et deviens nicht nur ein Film über ein Stück Zeitgeschichte, sondern er greift auch Fragen der Zugehörigkeit und Identität auf und formt daraus einen zu Herzen gehenden Film, der in Frankreich mit zwei Césars ausgezeichnet wurde und der zudem auf der Berlinale 2005 den Publikumspreis des Panoramas erhielt. Äußerst sehenswert und bewegend.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/geh-und-lebe