Basic Instinct: Neues Spiel für Catherine Tramell (2006)

Catherine Tramell und der Eispickel sind zurück

Eine Filmkritik von Gesine Grassel

„Wenn wir nicht alles Mögliche und Unmögliche bei diesem Projekt unternommen hätten, wie hätten wir dann mit diesem Film alle bisherigen Erwartungen übertreffen können?“ Sharon Stone lächelt selig, wenn sie über Basic Instinct 2 spricht. Ein Film, auf den sie über alle Maße stolz ist. Er ist ihr Comeback, ihr Schritt zurück ins Geschäft und auf die Leinwand. Sie ist älter geworden, hat aber nichts an Attraktivität eingebüßt und so ist die Fortsetzung des Erotik-Thrillers auch eine Hommage an Sharon Stone. Als Catherine Tramell brilliert die 48-Jährige wie zuletzt 1992 in einer Rolle, die ihr Image als Femme Fatale manifestiert und das Alter der Schauspielerin vergessen lässt.

Wie im Original spinnt sich der gesamte Film um die Krimiautorin Catherine Tramell, eine unverschämt erotische Nymphomanin, die ihre Männer, die Polizei und schließlich auch den Zuschauer gekonnt einwickelt und an der Nase herumführt. Die Amerikanerin ist auf Recherchereise in London unterwegs und setzt auch hier die die Kunst der Verführung als Waffe ein. Sex, Gewalt und Mord gehören für sie genauso zum Alltag wie Spiele mit tödlichem Risiko. Um unliebsame Lover loszuwerden, ist ihr jedes Mittel recht. Gleich zu Beginn des Filmes steuert sie ihren Sportwagen mitsamt Liebhaber auf dem Beifahrersitz in die Themse. Kein Zufall. Hier geht es um Kontrolle, wenn sie sich bei 180 Kilometern pro Stunde mit der Hand ihres Lovers stimuliert und diesem vorher Muskelhemmer zur Verringerung der Atmung verabreicht hat. Der Detektive Roy Washburn (wunderbar fies: David Thewlis) wird mit dem Fall betraut und zieht den gefeierten Psychiater Dr. Michael Glass (David Morrissey) hinzu, der ein Profil der Unfallfahrerin und vermeintlichen Täterin erstellen soll. Glass bleibt während seiner Arbeit mit der Schriftstellerin äußerlich unbeeindruckt, innerlich aber brodelt es gewaltig. Fasziniert hinterfragt er Tramells literarische Verbrechen und Motive, die in alarmierender Regelmäßigkeit auch in der Realität stattfinden. Nicht nur fachlich ist ihr der Wissenschaftler nach einigen Therapiestunden erlegen, denn zwischen den beiden knistert es gewaltig. Sie spinnt ein Netz aus Lügen und Verführung, spielt mit den Rollen von Arzt und Patientin und lässt Glass seinen Sinn für Professionalität und Objektivität verlieren. Die beiden beginnen einen tödlichen Machtkampf.

Auch mit einer deutlich geringeren Präsenz des Eispickels wird Basic Instinct 2 einigen Zuschauern schlaflose Nächte bereiten. Wer sich nicht gruselt oder beim Gedanken an die blonde Göttin kein Auge zukriegt, wird sich zumindest über den Film ärgern. Die Erwartungen an den Thriller, der 14 Jahre auf sich warten ließ und ohne Hauptdarsteller und Regisseur des Originals auskommen muss, waren hoch. Da ist es vielleicht nur ein logischer Schluss, dass sich die Fortsetzung anderer Mittel und Wege bedienen musste. Mehr Personenkult um Stone, weniger Doppelboden. Mehr Action, weniger Scharfzüngikeit. Damit ist Basic Instinct 2 eine temporeiche, aber blasse Kopie des Erstlings.

Egal wie banal und unrealistisch die Geschichte ist: Im hautengen Kleid und auf schwarzen High-Heels ist es Sharon Stone als Catherine Tramell, die sich Macht verschafft und sich an dieser berauscht. In Softporno-Stilistik fügen sich riskante Erotik, Sex mit mehreren Partner und angedeutete SM-Szenen mit dem Wechselspiel zwischen Subjekt und Objekt zu einem gut gemachten, aber inhaltlich mittelklassigen Film zusammen. Völlig unverständlich ist in diesem Zusammenhang die Besetzung von Charlotte Rampling. Die britische Schauspielerin und Preisträgerin unzähliger Filmpreise beschreibt ihre Filmfigur Dr. Milena Gardosh als faszinierend und das Drehbuch als bahnbrechend. Ohne ihr die schauspielerische Leistung und Begeisterung für die Psychiatrie absprechen zu wollen, gehört dieser Auftritt nicht zu den Glanzstunden ihrer Karriere.

Für Sharon Stone dagegen ist der Film wie eine Reinkarnation. Bevor sie in Berlin zur Pressekonferenz auf dem Podium erscheint (übrigens als einzige Vertreterin des gesamten Teams und Ensembles), stürzt erstmal die Bühnendeko von der Wand. Auch in den folgenden 30 Minuten ging es tendenziell eher abwärts. „Begrüßen Sie mit mir eine talentierte, kluge und vor allem mal schöne Frau“. Sharon Stone, 48, Hollywood-Star in Neuauflage. Genau wie Catherine Tramell polarisiert auch die US-Amerikanerin, der ein Hang zur Überlebensgröße nachgesagt wird. Sharon Stone ist Mythos und Marke, eine Frau die man zu kennen meint. Ihr legendär und nie bewiesen hoher IQ, die eiserne Selbstdisziplin, die sie bei ihrer Arbeit und sich selbst an den Tag legt, und ein scharfer Humor - all das ist die Frau, die bei der Pressekonferenz ihre Füße auf den Tisch legt und die anwesenden Journalisten um Verständnis für ihren Schuhtick bittet: „Mädchen und ihre Schuhe!“ Schon beginnt ein Mythos zu bröckeln, um sich nach der halbstündigen Fragerunde fast komplett aufgelöst zu haben. Was haben wir sonst noch gelernt? Dass auch Geld und Schönheit nicht vor Alter schützen. Nach ihrem 40.Geburtstag habe sie sich gefühlt wie eine Lepra-Kranke. Keine Angebote, keine Filme. In Anspielung auf die Frage, welche Rollen Frauen über 40 in Hollywood noch angeboten werden, sagt sie: „Ich will stolz auf mein Alter sein und mit 48 noch spielen und ein gutes Leben führen\". Den starren Regeln der Traumfabrik hat sie sich, nicht nur für den aktuellen Film, erfolgreich widersetzt: „Ich kann mir durchaus einen dritten Teil von Basic Instinct vorstellen. Und mit 75 mache ich dann Basic Intsinct 4: Heißer Sex im Altersheim“. Gut, Frau Stone hat ein unverkrampftes Verhältnis zu ihrem Körper und Sexualität, aber ob die scharfsinnige und kühl-berechnende Catherine Tramell in diesem Alter die körperlichen Reize manipulierend einsetzen kann, ist fraglich. Erstmal muss sich Sharon Stone sowieso um ihre zwei Kinder kümmern, von denen sie bei jeder Gelegenheit erzählt. Und natürlich von ihrer Begeisterung in Deutschland zu sein. Früher als Kind, da habe sie die Deutschen gehasst, aber wie das so ist mit Mädchen aus kleinen Dörfern in Pennsylvania – sie kommen für einen Film nach Deutschland, stehen mit einem unbeschreiblichen Gefühl der Freiheit vor den Resten der Berliner Mauer und bauen ihre Vorurteile gegen das Land ab. So einfach ist das.

„Sie genießen es, wenn Sie die Kontrolle haben – genau wie ich“, sagt Tramell zu Dr. Glass. Gleiches könnte man auch über Sharon Stone sagen. Die gesamte Werbemaschinerie zu Basic Instinct 2 ist auf ihre Person zugeschnitten, sie aalt sich im Blitzlicht und der Begeisterung des Publikums. Vielleicht war diese aufgeblasene Seifenblase aber zu leer oder der Film doch nicht spannend genug: Zur deutschen Premiere im Berliner Sony-Center verirrten sich jedenfalls nur wenige Prominente auf den roten Teppich trauten. Sharon Stone als männermeuchelndes Biest hatte Eindruck gemacht. Dafür kamen hunderte Fans, um sich die Seele aus dem Hals zu brüllen und stundenlang in der Kälte zu warten. Nach viel B- und C-Prominenz erschien Hauptdarstellerin Stone mit einer wilden Hochsteckfrisur und gelbgrün geschminkten Lippen. Zur Premierenfeier zogen sich die Crew und geladene Gäste in den Kit-Kat-Club zurück, eine stadtbekannte Diskothek, die für ungewöhnliche sexuelle Freizügigkeit bekannt ist. Sharon Stone dagegen war die Hysterie scheinbar doch zu groß. Nach einer kleinen Ansprache vor der Filmvorführung und einem Essen mit ihren Produzenten ließ sie sich ins Hotel fahren. Über die weitere Abendgestaltung ist nichts bekannt. Na ja, sie ist ja auch nicht mehr die Jüngste…
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/basic-instinct-neues-spiel-fuer-catherine-tramell-2006