Freud (1962)

Monty meets Sigmund

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Wien 1885: Der jungen Neurologe Sigmund Freud, der in der Neurologischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses von Wien arbeitet, gerät wegen seiner abweichenden Meinung zu Fragen der Hysterie in Streit mit seinem Vorgesetzten. Enttäuscht macht sich Freud auf nach Paris an die Salpetrière, wo er Jean-Martin Charcot kennen lernt, der auf ähnlichem Gebiet forscht und lehrt. Die beiden Männer verbindet schnell eine enge Freundschaft, zumal Charcot gänzlich neue Wege in der Behandlung der Hysterie geht. Durch die Begegnung mit Charcot und dessen Experimente mit Hypnose entdeckt Freud schließlich, dass es einen vom Bewusstsein abgetrennten Teil des Denkens gibt, das Unbewusste, das er als Ursache zahlreicher Störungen identifiziert.

Beflügelt von dieser neuen Erkenntnis kehrt Freud nach Wien zurück, heiratet und stellt sich seinem Widersacher Professor Meynert, der nichts unversucht lässt, um Freud und seine phantastischen Theorien der Lächerlichkeit preiszugeben. Doch der hoch angesehene Arzt Josef Breuer ergreift Partei für Freud und bewegt ihn zur Übernahme zweier sehr komplizierter Fälle, die die Wirksamkeit von Freuds Methoden unter Beweis stellen.

Die Faszination des Mediums Film für die Erkenntnisse der Psychoanalyse ist schon auffällig: Von den Phantasmagorien eines Robert Wiene in Das Cabinett des Dr. Caligari über die mehrfachen Versuche Alfred Hitchcocks, der Psychoanalyse ein filmisches Gesicht zu geben (besonders erwähnenswert sind hierbei vor allem Spellbound, Vertigo und Marnie) bis hin zum Stereotyp des Psychoanalytikers im zeitgenössischen Hollywood-Film – stets erfreuen sich die Berührungen und Gegenpositionen von Film und den Methoden Freuds großer Beliebtheit. Ein Höhepunkt der filmischen Obsession für die Psychoanalyse ist aber mit Sicherheit John Hustons Versuch einer zumindest fragmentarischen Freud-Biografie, die er im Jahr 1961 nach einer Drehbuchvorlage von Jean-Paul Sartre unternahm – es entstand ein Film, der ebenso gut "Freud und die heroischen Jahre der Psychoanalyse" hätte heißen können, denn in der Tat zeigt Huston nur einen Ausschnitt von fünf Jahren aus dem Leben Freuds. Auch wenn die Geschichte aufgrund verschiedener Drehbuchbearbeitungen immer wieder Brüche, Inkonsequenzen und Ungereimtheiten aufweist und manche Umsetzung seelischer Zustände nach heutigem Verständnis beinahe peinlich wirkt, vermittelt der Film doch einen spannenden Einblick in die Entstehung der Wissenschaft von der Seele des Menschen.

Nie wieder zuvor und auch danach war Freud und die Psychoanalyse so sexy, anziehend und spannend wie in John Hustons Film – Monty Clift sei Dank.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/freud